Krankenversicherung und Flüchtlinge Kreativer Umgang mit Beitragsgeldern

Meinung | Berlin · Die Bundesregierung zapft im Wahljahr 2017 die Reserven des beitragsfinanzierten Gesundheitsfonds für die Versorgung anerkannter Flüchtlinge an. Der Aufregung ist groß, der Anlass eher klein.

 Die Reserven des Gesundheitsfonds belaufen sich auf 200 Milliarden Euro.

Die Reserven des Gesundheitsfonds belaufen sich auf 200 Milliarden Euro.

Foto: dapd, Patrick Sinkel

Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch beschlossen, aus der Liquiditätsreserve des über 200 Milliarden Euro umfassenden Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung die kleine Summe von 1,5 Milliarden Euro zu entnehmen, um sie 2017 den Kassen zusätzlich zuzuführen.

Eine Milliarde davon soll der Finanzierung von erwarteten Mehrausgaben dienen, die dadurch entstehen werden, dass im kommenden Jahr Hunderttausende anerkannte Flüchtlinge zu Hartz-IV-Empfängern werden und dann wie alle anderen Arbeitslosengeld-II-Bezieher auch Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben.

Bisher wurden Gesundheitsleistungen für sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus Steuermitteln bezahlt. Wer die Flüchtlingsmigration kritisch sieht, wer gegen den Flüchtlingskurs von Kanzlerin Merkel ist, der sieht hier nun das erste Indiz eines Wortbruchs: Entgegen der Ankündigung Merkels, dass kein Bürger weniger haben werde durch die Flüchtlinge, müssten jetzt die GKV-Beitragszahler doch bluten, weil dem Gesundheitsfonds wegen der Flüchtlinge Beitragsgeld entzogen werde, argumentieren sie.

Dieser Zusammenhang lässt sich in der Tat herstellen, und das ist gefährlich für Merkel und die Bundesregierung. Denn so liefert die Regierung denen Argumentationshilfe, die schon immer meinen, die Regierung belüge sie. Das Geld des Gesundheitsfonds kommt weit überwiegend von den Beitragszahlern, nur 14 Milliarden Euro fließen aus Steuermitteln in den Fonds.

Die Milliarde, die ihm nun "für die Flüchtlinge" entnommen wird, ist mithin wirklich Beitragsgeld. Die Regierung täte gut daran, diese Finanzierungsentscheidung ganz schnell zu korrigieren: Die Bewältigung der Flüchtlingskrise ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln finanziert werden muss. Nur so wird auch sichergestellt, dass sich auch die "reicheren" Privat-Krankenversicherten an der Finanzierung der Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge beteiligen.

Im parlamentarischen Verfahren haben Union und SPD nach der Sommerpause die Gelegenheit, diesen Fehler rasch zu korrigieren.

(mar)
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