Niedrige Inflationsrate Müssen wir Angst vor sinkenden Preisen haben?

Meinung | Berlin · Nur noch 0,8 Prozent Inflation im Juli. Doch viele Bürger haben ein anderes Gefühl: Sie beklagen steigende Mieten, höhere Preise für Lebensmittel oder Benzin. Die "gefühlte Inflation" ist aller Erfahrung nach stets höher als die "offizielle" jährliche Teuerungsrate, die das Statistische Bundesamt monatlich misst. Müssen wir uns nun Sorgen machen wegen zu hoher Inflation – oder wegen einer zu geringen Teuerung? Droht in Deutschland eher ein Inflations- oder ein Deflationsszenario?

 "Gefühlt" ist die Teuerungsrate oft höher als die offizielle.

"Gefühlt" ist die Teuerungsrate oft höher als die offizielle.

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Nur noch 0,8 Prozent Inflation im Juli. Doch viele Bürger haben ein anderes Gefühl: Sie beklagen steigende Mieten, höhere Preise für Lebensmittel oder Benzin. Die "gefühlte Inflation" ist aller Erfahrung nach stets höher als die "offizielle" jährliche Teuerungsrate, die das Statistische Bundesamt monatlich misst. Müssen wir uns nun Sorgen machen wegen zu hoher Inflation — oder wegen einer zu geringen Teuerung? Droht in Deutschland eher ein Inflations- oder ein Deflationsszenario?

Die Antwort lautet: Weder noch. Fangen wir mit der Deflationsdebatte an, die vor allem von Geldpolitikern und Volkswirten seit einigen Monaten geführt wird. Deflationsgefahr, also eine Phase fortlaufend sinkender Verbraucher- und Produzentenpreise, besteht in einigen südeuropäischen Ländern, in denen die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrt, die Löhne gesunken sind und infolgedessen die private Konsumnachfrage stagniert.

In Deutschland dagegen werden Löhne und Gehälter im laufenden Jahr um etwa drei Prozent zulegen, getrieben vor allem von hohen Tarifabschlüssen. Das wird die Konsumnachfrage stabilisieren und die Inflation in Deutschland in den kommenden Monaten wieder in die Höhe treiben. Im Juli waren es zudem vor allem geringere Energiepreise, die die jährliche Inflationsrate auf den niedrigsten Stand seit vier Jahren gedrückt haben. Leichtes Heizöl kostete 6,0 Prozent weniger als im Juli 2013, Kraftstoffe 3,1 Prozent weniger. Strom verteuerte sich hingegen um 1,7 Prozent.

In den kommenden Monaten ist ein Anziehen der Öl- und Gaspreise absehbar: Wegen der ungelösten Krise in der Ukraine, der wachsenden geopolitischen Risiken im gesamten Nahen Osten, aber auch wegen des nahenden Winters. Auch die Energiepreise werden die Inflationsrate wieder steigen lassen. Ohnehin schon ziehen jene Preise an, die für die Bürger besonders bedeutsam sind, weshalb sie "gefühlt" auch von steigenden Verbraucherpreisen ausgehen: die Mieten in den attraktiven Ballungsräumen.

Droht uns in Zukunft also doch eher wieder ein Inflationsproblem? Auch diese Gefahr besteht derzeit nicht. Denn die Konjunktur erleidet einen Dämpfer, Unternehmen werden künftig nicht mehr so leicht höhere Preise durchsetzen können. Im Euro-Raum kommt die wirtschaftliche Erholung nur schleppend voran. 2015 dürfte sich die Inflationsrate in Deutschland nach den gängigen Prognosen der Volkswirte wieder bei etwa 1,5 Prozent einpendeln. Sie würde damit ungefähr wieder den Zielwert der Europäischen Zentralbank von "nahe, aber unter zwei Prozent" erreichen.

(mar)
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