Griechenland-Krise Schäuble warnt vor Athener Pleite

Berlin (RP). Der Finanzminister sieht die unmittelbare Gefahr des ersten Staatsbankrotts in der Euro-Zone. In einem Schreiben an seine EU-Kollegen dringt er auf ein neues Hilfspaket für Griechenland. Ein am Mittwoch bekannt gewordene Prüfbericht bestätigt: Griechenland braucht neue Milliarden.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
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Foto: dpa, Boris Roessler

Ohne neue Hilfskredite für Griechenland im "erheblichen Umfang" droht nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Kürze der erste unkontrollierte Staatsbankrott in der Euro-Zone. "Ohne eine weitere Auszahlung von Mitteln vor Mitte Juli besteht tatsächlich das Risiko einer ersten ungeordneten Zahlungsunfähigkeit im Euro-Währungsgebiet", warnte Schäuble in einem Schreiben an den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, und seine EU-Amtskollegen. Darin fordert Schäuble ein neues Hilfspaket und die Beteiligung privater Gläubiger an der Rettung Athens. Sie sollen bestehende griechische Staatsanleihen in neue mit siebenjähriger Laufzeit umtauschen.

Merkel stimmt zu

Kanzlerin Merkel scheint den neuen Kurs Schäubles mitzutragen: Deutschland dringt innerhalb der EU jetzt auf eine "sanfte Umschuldung" Griechenlands. Bisher hatten die EU-Regierungen jede Form der Beteiligung privater Gläubiger vor Mitte 2013 ausgeschlossen. Bei der sanften Umschuldung geht es darum, lediglich die Laufzeiten von Anleihen zu verlängern, einen Zahlungsausfall soll es nicht geben.

"Wir befinden uns in einer schwierigen Lage", schrieb Schäuble den EU-Finanzministern. "Eine Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte im Laufe des Jahres 2012 scheint mehr als unrealistisch." Dies bedeute, dass der Umfang des existierenden 110-Milliarden-Euro-Kreditprogramms nicht ausreiche, um den Finanzbedarf Griechenlands während der Laufzeit des Programms bis Ende 2012 zu decken. "Ich gehe davon aus, dass der Mehrbedarf erheblich sein wird", so Schäuble. Schätzungen gehen davon aus, dass über 100 Milliarden Euro an neuen Krediten nötig. Bisher hatte man gehofft, nur 60 Milliarden Euro zu brauchen.

Nach den Worten des luxemburgischen Finanzministers Jean-Claude Juncker benötigt das hochverschuldete Griechenland 90 Milliarden Euro zusätzlich an Finanzhilfen. Die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission hält es in ihrem Prüfbericht, der mehreren Medien am Mittwoch vorlag, für nahezu ausgeschlossen, dass Griechenland 2012 auf die Finanzmärkte zurückkehrt.

Banken sollen eingebunden werden

Schäuble will das neue Programm mit einem Verfahren verbinden, das auch private Gläubiger (also Banken) einbezieht. "Dieses Verfahren muss dazu führen, dass die Anleiheinhaber einen substanziellen Beitrag zu den Unterstützungsanstrengungen leisten", so Schäuble. Noch laufende Anleihen sollten darum in die neuen mit siebenjähriger Laufzeit umgetauscht werden. Dies würde Griechenland mehr Zeit zur Genesung verschaffen. Schäuble forderte die Finanzminister auf, sich am 20. Juni auf ein solches Verfahren zu einigen. Widerstand ist vor allem aus Frankreich zu erwarten, weil die dortigen Banken stärker in Griechenland engagiert sind.

Im Bundestag läuft Schäuble offene Türen ein. Die Koalition will morgen einen Entschließungsantrag im Bundestag verabschieden, in dem sie der Regierung klar vorgibt, weiteren Griechenland-Hilfen nur zuzustimmen, wenn künftig auch die privaten Gläubiger eingebunden werden. "Es darf nicht sein, dass die Risiken allein vom öffentlichen Sektor übernommen werden. Eine freiwillige Verlängerung der Kreditlaufzeiten durch private Gläubiger würde die Situation deutlich entschärfen", sagte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, unserer Zeitung.

Schäuble und Merkel unterrichteten die Fraktionen von Union und FDP gestern Abend über den alarmierenden Bericht von Währungsfonds, EU-Kommission und EZB. In dem Bericht dieser Troika heißt es: Es sei ausgeschlossen, dass Griechenland 2012 wieder Kredite von den Banken erhält. Die Zinsen seien schon jetzt unbezahlbar für Athen, es sei unwahrscheinlich, dass sie bald auf ein tragbares Niveau fallen. Damit bestätigt auch die Troika, dass Griechenland vor der Pleite steht. Denn Ländern, die keine Perspektive haben, darf der Währungsfonds auch kein Geld geben. Deshalb müssen die Euro-Länder nun neue Hilfen gewähren, damit der Währungsfonds bereits zugesagte Hilfen überhaupt auszahlen kann.

(RP)
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