Mini-Zinsen in der Krise Sorge um die Lebensversicherung

Düsseldorf · Die Mini-Zinsen machen es den Versicherern schwerer, ihrer Zusagen einzuhalten. Im Extremfall kann die Finanzaufsicht die Auszahlungsverpflichtung senken. Von einer Kündigung der Policen raten Experten dennoch ab.

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Foto: Rafalzyk/BStBK

Die Zinsen für viele Geldanlagen sind auf einem historischen Tiefstand. Auch für als sicher geltende Staatsanleihen gibt es nur noch Minizinsen. Das macht es Lebensversicherern zunehmend schwer, ihre Vermögen rentierlich anzulegen — und umtreibt auch viele Kunden.

Immer mehr Kunden melden sich bei den Verbraucherzentralen, weil sie feststellen, dass ihre Versicherung deutlich weniger zahlt als beim Vertragsabschluss in Aussicht gestellt. Viele haben Sorge, dass Lebensversicherungen sogar ihre garantierten Zinsen nicht mehr einbringen können. Denn täglich müssen die Lebensversicherer neue Kapitalanlagen kaufen, die weniger Zinsen bringen, als sie ihren Kunden in der Vergangenheit garantiert haben. "Diese Schere öffnet sich immer weiter", warnt Reiner Will von der Rating Agentur Assekurata.

Garantiezins kräftig gesenkt

Dem widerspricht Marktführer Allianz. "In der Neuanlage von festverzinslichen Anlagen haben wir 2011 rund vier Prozent erwirtschaftet", sagt Chefanleger Jörg Ladwein. Rating-Experte Will bleibt skeptisch, höhere Zinsen könnten meist nur mit höheren Risiken erkauft werden. "Sollten die Zinsen dauerhaft auf dem niedrigen Niveau verharren, wird es im Einzelfall auch zu Problemen bei den Lebensversicherern kommen", so Reiner Will.

Ohnehin ist der Garantiezins in den vergangenen Jahren bereits kräftig gesenkt worden. Während die Versicherer beim Abschluss einer neuen Lebens- und Rentenversicherung heute nur noch Zinsen von 1,75 Prozent auf den Sparanteil versprechen dürfen, waren es in der Vergangenheit bis zu vier Prozent.

Rund 23 Prozent aller Renten- und Lebensversicherungskunden hat einen Vertag mit diesem hohen Garantiezins-Niveau, wie Assekurata ausgerechnet hat. Im Schnitt liegt der Garantiezins der bestehenden Policen bei 3,23 Prozent. So viel Rendite mit den Kapitalanlagen zu machen, wird immer schwieriger(Grafik).

"Unternehmen sollten mit ihren Kapitalanlagen mindestens einen Zins oberhalb des durchschnittlichen Garantiezinses erwirtschaften", fordert Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchenblatts Map-Report. Das schafften im vergangenen Jahr immerhin noch 81 von 88 Lebensversicherern, die Poweleit untersucht hat.

Experten gegen Vertragskündigung

Auf einen Zins unterhalb der magischen Grenze von 3,23 Prozent kamen Delta Lloyd, die Sparkasse Sachsen, die Landeslebenshilfe, die Nürnberger Beamtenversicherung, die Vorsorge, die Heidelberger Leben und die Hamburger Versicherung. Zwei Anbieter, die Delta Lloyd und die Hamburger Versicherung, haben ihr Neugeschäft bereits eingestellt. Die anderen Anbieter verkaufen überwiegend Fondspolicen, so Poweleit. Und da ist es mit den Überschüssen nicht weit her.

Laut einer Analyse der Finanzaufsicht (Bafin) könnte die Branche eine Niedrigzinsphase bis 2027 überstehen. "Sollte ein Lebensversicherer oder Pensionsfonds in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, kann die Bafin aber die Leistungen herabsetzen", erläutert der Versicherungsberater Marco Krieter.

Die Bafin bestätigt diese Möglichkeit. Sie geht aber davon aus, dass die notleidenden Verträge eher auf den Insolvenzfonds Protektor übertragen würden. "Damit stehen sich die Kunden besser, weil Protektor den notleidenden Versicherer übernehmen würde, ohne Garantien abzusenken", sagt eine Bafin-Sprecherin. Protektor hat ein Sicherungsvermögen von 762 Millionen Euro angespart.

Sollten Verbraucher nun aus Sorgen um ihre Zinsen die Policen kündigen? Experten sagen: nein. Denn damit entgehen den Kunden die wichtigen Schlussverzinsungen. Die Kunden sollten aber prüfen, ob weitere Einzahlungen sinnvoll sind — oder ob sie ihre Policen beitragsfrei stellen, rät Versicherungsberater Krieter.

(RP/das)
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