Demonstrationen gegen Arbeitslosigkeit Spaniens Jugend protestiert zu Tausenden auf den Straßen

Madrid (RPO). Alle europäischen Augen sind auf Griechenland gerichtet. Die EU-Finanzminister diskutieren, wie man den Staat vor dem Bankrott bewahren kann. Doch plötzlich begehrt auch das Volk eines anderen Landes auf. In Spanien gehen seit Tagen Tausende gegen die Arbeitslosigkeit und die Sparpolitik der Regierung auf die Straße - die sogenannte "verlorene Generation" der Jugendlichen.

Madrid - Spaniens Jugend demonstriert gegen Wirtschaftskrise
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"Das ist eine Demonstration gegen die Diktatur der Märkte", sagt ein junger Iberer dem spanischen Sender RTVE. Er ist einer von vielen seiner Generation, die in diesen Tagen gegen die Politik der Regierung demonstrieren. Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla - in rund 50 Städten haben sie sich zu Protesten zusammengetan, organisiert über soziale Netzwerke wie Facebook oder auch über Twitter.

Dabei war es in den vergangenen Monaten recht ruhig geblieben in Spanien, obwohl das Land zu jenen Staaten gehörte, die während der Finanzkrise unter der Abkürzung PIIGS bekannt wurden. Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien - sie alle hatten enorme Staatsschulden angehäuft, die Wirtschaft lag am Boden. Und überall waren sie auf die Straße gegangen gegen die Sparmaßnahmen ihrer Regierungen, drei Staaten sind inzwischen auf die finanziellen Hilfen der EU angewiesen.

Um die 45 Prozent Jugendarbeitslosigkeit

Spaniens sozialistische Minderheitsregierung unter Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero setzte ein rigoroses Sparprogramm durch, kürzte die Beamtengehälter, fror Renten ein, lockerte den Kündigungsschutz. Alles Folgen der Immobilienblase, die bei den Iberern ähnlich wie in den Vereinigten Staaten geplatzt war. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit in Spanien stieg massiv an, mit mehr als 20 Prozent hat das Land die höchste in der EU. Bei den Jugendlichen ist sie sogar doppelt so hoch.

Die EU lobte Spanien für seine Sparmaßnahmen, das klamme Land kann sich an den Kapitalmärkten inzwischen zu günstigeren Konditionen frisches Geld besorgen und unter Experten gilt Spanien nicht mehr als Anwärter auf den Rettungsschirm. Doch an der Situation der Menschen im Land hat sich wenig geändert. Und die machen sich nun Luft.

Es sind vor allem die jungen Menschen, die - ähnlich wie damals auf dem Tahrir-Platz im ägyptischen Kairo - ihr Lager mitten in Madrid aufgeschlagen haben. Auf dem Platz an der Puerta de la Sol haben sie sich niedergelassen, campen zu Tausenden und bleiben auch über Nacht. Sie fordern die Menschen auf, die Kommunalwahlen, die in über 8000 Gemeinden und 13 Regionen stattfinden, zu boykottieren. Und die spanischen Medien sprechen schon von der "Bewegung des 15. Mai", jenem Tag, als die Proteste begannen und in Anlehnung an die Revolutionen in der arabischen Welt.

So auch wieder am Donnerstag, obwohl die Demonstrationen von der Wahlkommission in Madrid verboten wurde, weil sie die Abstimmungen beeinflussen könnten. Davon ließen sie sich aber nicht abhalten. "Wir haben diese Krise nicht gemacht, aber jetzt sollen wir sie bezahlen", erzählt etwa die 26-jährige Paloma der österreichischen Zeitung Standard. Und der 28-jährige Andrés sagte der Zeitung: "Wir leben in einer politischen Farce. Die Politiker sind völlig abgehoben."

Stimmungstest besonders für die Sozialisten

"Die Situation ist unsicher", sagt auch der 55-jährige Victor, der ebenfalls in Madrid auf die Straße gegangen ist, der spanischen Zeitung El Mundo. "Es ist empörend, dass die Politiker die Bedürfnisse der Jugendlichen nicht beachten", ergänzt er. Und ein Ehepaar erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk: "Die Krise betrifft alle - auch die Glaubwürdigkeit der Politiker. Die beiden großen Parteien machen, was sie wollen - unabhängig von den Interessen der Bürger."

Der Jurist Fabio Gándara erklärte dem Sender die Ziele der Demonstranten. "Es geht um mehr als nur um Kürzungen und Sparmaßnahmen der Regierung. Wir wenden uns auch gegen die Diktate aus der Finanzwelt und der Politik", sagt er. Die Politik sei ins zweite Glied getreten, die Finanzwelt sage ihr, was zu tun sei.

Die Demonstranten wollen jedenfalls bis zum Wochenende durchhalten, bis die Kommunalwahlen vorüber sind. Sollten viele Menschen dem Boykottaufruf folgen, würde das nach Einschätzung von Beobachtern vor allem die regierenden Sozialisten treffen. Es wird erwartet, dass die Partei in einigen ihrer Hochburgen die Mehrheit verlieren wird. Und die Abstimmung gilt auch als Stimmungstest für die landesweiten Wahlen, die im nächsten Jahr stattfinden.

(mit Agenturmaterial)
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