Regionale Preisunterschiede spielen eine Rolle Studie: Armut ist vor allem ein Problem der Städte

Köln · Wenn es um die Messung der Armut in Deutschland geht, dann greifen Forscher meist auf das Einkommen der Bürger zurück. Eine neue Studie berücksichtigt nun zusätzlich das Preisniveau in den verschiedenen Regionen. Demnach ist Einkommensarmut nicht vor allem ein Problem der neuen Bundesländer, sondern der deutschen Großstädte.

 Für die Forscher des IW Köln kann das Armutsrisiko nicht allein am Einkommen gemessen werden.

Für die Forscher des IW Köln kann das Armutsrisiko nicht allein am Einkommen gemessen werden.

Foto: dpa, Arne Dedert

Derzeit diskutiert die Politik eifrig darüber, wie es 2019 nach dem Auslaufen des Solidarpaktes in seiner jetzigen Form weitergehen soll. Insbesondere strukturschwache Regionen fordern immer wieder mehr Unterstützung vom Bund. Eine neue Studie des arbeitsgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln stößt nun genau in diese Debatte. Denn die Forscher wollten wissen, in welchen Regionen der Bundesrepublik die Menschen am meisten von Armut betroffen sind — und zwar nicht allein gemessen an deren Einkommen.

Laut Statistischem Bundesamt ist in Deutschland derjenige von Einkommensarmut betroffen, wer als Alleinstehender weniger als 870 Euro im Monat zur Verfügung hat. Entsprechend beträgt die Armutsquote in den neuen Ländern etwa 20 Prozent und ist fast sechs Prozent höher als im Westen.

Für die Forscher des IW aber zeigt das Heranziehen der Einkommen allein nicht die wirklichen Verhältnisse in der Bundesrepublik. "Ein national einheitlicher Maßstab für Einkommensarmut setzt ein einheitliches Preisniveau in den Regionen aus", sagte der Direktor des IW Köln, Michael Hüther, bei der Vorstellung der Studie und fügte hinzu: "Die Annahme eines einheitlichen Preisniveaus ist aber fernab der Realität."

Köln hält die rote Laterne

Entsprechend haben sich die Forscher für ihre Studie auch das unterschiedliche Preisniveau in den Regionen angeschaut und dies ins Verhältnis zu den durchschnittlichen Einkommen gesetzt. Die Einkommen seien in Ostdeutschland zwar niedriger, gleichzeitig könnten sich die Bewohner dort für ihr Geld aber mehr leisten als in Westdeutschland, heißt es in der Studie "Regionaler Armutsvergleich" des arbeitgebernahen Instituts. Demnach brauche etwa ein Münchner Single 1030 Euro im Monat, um sich genauso viel leisten zu können wie ein durchschnittlicher deutscher Single mit 870 Euro monatlich.

Dementsprechend sehen die Forscher das Problem der Armut in Deutschland auch weniger in den neuen Bundesländern als vielmehr in den Städten. So seien nach den der Studie zugrunde gelegten Kriterien in den ländlichen Regionen nur knapp 14 Prozent arm, in den Städten seien es dagegen 22 Prozent. Gemessen am regionalen Schwellenwert, heißt es, seien die zehn Regionen mit der höchsten Betroffenheit von relativer Einkommensarmut ausschließlich Großstädte.

So wird zum einen angeführt, dass die Preise in den Städten um mehr als sechs Prozent höher seien als in den ländlichen Gebieten (und in Ostdeutschland um sieben Prozent niedriger als im Westen). Zum anderen machten die Gruppen mit dem größten Armutsrisiko in den Städten fast zwei Drittel der Bevölkerung aus, auf dem Land dagegen weniger als die Hälfte.

So ist laut der Studie Köln das Schlusslicht im regionalen Vergleich, 26 Prozent der Bevölkerung gelten dort demnach als arm. Es folgen Dortmund und der Westteil Berlins. Aber auch wirtschaftsstarke Städte wie Düsseldorf oder Frankfurt am Main seien mit 23 Prozent von Armut vermehrt betroffen. Ebenso weit oben im negativen Sinne landen laut der Studie die Ruhrgebietsstädte Gelsenkirchen und Duisburg.

Thüringen habe dagegen durch das Einbeziehen des Preisniveaus die drittniedrigste Quote an Armut in der Bundesrepublik. Die neuen Länder lägen somit insgesamt lediglich neun Prozent unter dem Niveau der alten Bundesländer. So könne Brandenburg sogar mit Hamburg gleichziehen.

Armutsquote in Städten gestiegen

Die geringste Kaufkraft stellten die Forscher übrigens in weiten Teilen Mecklenburg-Vorpommerns fest, in den Ruhrgebietsstädten, aber auch in Leipzig, Köln und den westlichen Teilen Berlins. Auch sei festzustellen, dass die Armutsquote gemessen an der Kaufkraft in den Jahren 2006 bis 2012 in den Städten um 2,5 Prozent gestiegen sei, während sie in den ländlichen Regionen nahezu stabil geblieben wäre. Die Forscher warnen zudem, dass sich die Kluft angesichts der steigenden Mietpreise noch vergrößern könne.

Welche Personen zu den Risiko-Gruppen gehören, das ist nach der Studie aber in allen Regionen der Bundesrepublik gleich. Dazu zählten die Hälfte aller Personen, die in einem Haushalte mit mindestens einem Arbeitslosen lebten, knapp ein Drittel der Alleinerziehenden und rund ein Viertel der Alleinstehenden und der Menschen mit Migrationshintergrund.

Angesichts dieser Studienergebnisse fordern die Forscher auch ein Umdenken bei der Neuaufstellung der Förderung durch den Bund, die sich bislang vor allem auf den Osten der Republik bezogen habe. Man solle verstärkt die Problemlagen der großen Städte in den Fokus rücken und es nicht bei reiner Investitionsförderung und Schaffung von Arbeitsplätzen belassen, sondern vielmehr Investitionen, Gründungsförderung, aber auch Bildung und Maßnahmen zur Stadtteilaufwertung verknüpfen.

(das)
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