Erbschaftssteuergesetz Warten auf das Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe · Experten erwarten noch in diesem Jahr eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit des aktuellen Erbschaftssteuergesetzes (ErbStG). Die Politik fürchtet die Entscheidung, Erben hingegen hoffen auf einen für sie rentablen Ausgang.

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Foto: gms

Das aktuelle Erbschaftssteuergesetz wurde erst im Jahr 2008 novelliert und droht schon wieder zu kippen. Als Grund gilt, dass der Bundesfinanzhof eine Diskriminierung privater Erben gegenüber Erben von Familienunternehmen sieht. So werden sowohl auf Immobilien als auch auf Sparguthaben aus privaten Erbschaften Steuern erhoben. Handelt es sich bei dem Vermögen jedoch um betriebliches Vermögen, werden zum Schutz von Arbeitsplätzen keinerlei oder nur begrenzte Steuern fällig.

Dass diese Gesetzeslage ein Ungleichgewicht schafft und lange Zeit Spielraum für die Gründung von Scheinfirmen ließ, ist klar erkennbar. Zumindest in Bezug auf die rasche Gründung einer GmbH hat die Bundesregierung im Juni 2013 bereits eingelenkt. Scheinfirmen, deren alleiniger Nutzen der Einsparung der Erbschaftssteuer gilt, sind ab sofort verboten. Doch löst diese Einschränkung längst nicht das tatsächliche Ungleichgewicht. Ebenso ist es weiterhin möglich, Privatguthaben in ein Familienunternehmen einzubringen und somit vor dem Gesetzgeber als steuerfrei zu deklarieren.

Entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass das aktuelle Gesetz tatsächlich eine unerlaubte Diskriminierung von privaten Erbschaften bedeutet, betrifft das Urteil höchstwahrscheinlich nicht nur diesen Bereich der Gesetzgebung. Stattdessen droht eine Novellierung des gesamten Erbschaftsteuergesetzes - eine Problematik, mit der sich aktuell keine Partei befassen möchte.

Erbschaftssteuer bietet schier unendliches Streitpotenzial

Über die Vorgehensweise bei Erbschaften gibt es so viel Uneinigkeit zwischen den Parteien, wie bei kaum einem anderen Thema. So lässt die CDU verlauten, dass sie keinerlei Erhöhung der Erbschaftssteuer plane, während die Grünen das Steueraufkommen durch Erbschaften nahezu verdoppeln möchte. In Anbetracht der Summen, die jährlich allein in Deutschland vererbt werden, ist der Wunsch, die Staatskasse auf Kosten von Erben zu sanieren, durchaus verständlich. Jährlich werden rund 230 Milliarden Euro vererbt, wobei die Gesamtsumme von Jahr zu Jahr steigt. Das zurzeit bestehende Ungleichgewicht zwischen privaten und betrieblichen Erbschaften hingegen verstößt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs gegen den Art. 3. Abs. 1 GG.

Die besonders strittigen und - nach Ansicht des Bundesfinanzhofs verfassungswidrigen - Inhalte der aktuellen Gesetzgebung betreffen besonders den § 19 Abs. 1 und die §§ 13 a und b des ErbStG. Der § 19 regelt den aktuellen Steuersatz auf die Erbschaft, abhängig von der jeweiligen Steuerklasse. Das Gesetz wendet zurzeit identische Steuersätze an, die, sobald die §§ 13 a und b mitberücksichtig werden, zu einer deutlichen Minderung der Freibeträge führen. So ist es bei der Vererbung von Betriebsvermögen möglich, durch die Verschonungsregeln bis zu 100 Prozent des Erbes steuerfrei zu vermachen, während private Erbschaften generell der Steuerpflicht unterliegen.

Dies hat zur Folge, dass Familienbetriebe und große Unternehmen teils steuerfrei vererbt oder vor dem Ableben des Erblassers verschenkt werden, während Privatvermögen grundsätzlich dem steuerpflichtigen Erwerbseinkommen zugerechnet werden. Die Regierung argumentiert die Gesetzmäßigkeit ihrer Entscheidung mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen im vererbten Unternehmen, die bei einer höheren Besteuerung mitunter entfallen könnten.

In der Praxis öffnet diese Gesetzgebung Tür und Tor für willkürliche Praktiken. Immer wieder wird Privatvermögen in Betriebsvermögen gewandelt, um im Falle des eintretenden Erbfalls steuerrechtlich nicht von Interesse zu sein.

Für Unternehmer, die in absehbarer Zeit aus dem Unternehmen aussteigen und den Betrieb auf die Nachkommen übertragen wollen, ist jetzt der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. So empfiehlt beispielsweise Kevin Roblick, Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft RTC Schütte, derzeit begünstigte Vermögenswerte noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Erben zu übertragen, bevor auch diese Werte steuerlich dem Privatvermögen gleichgestellt werden.

Erblasser und Erben von reinem Privatvermögen haben kaum Möglichkeiten, steuerliche Vergünstigungen zu erhalten. Da kein Betrieb zur Verfügung steht, in den das Privatvermögen notfalls eingegliedert werden kann, müssen Privatpersonen die Gesamtsteuerlast ohne Vergünstigungen tragen.

Kontroverse Meinungen

In der Bevölkerung und in der Politik sorgen jedoch nicht allein die Inhalte des Erbschaftssteuergesetzes für Unmut. Auch die tatsächliche Erhebung einer Erbschaftssteuer birgt Potenzial für hitzige Diskussionen. In der Bevölkerung herrscht überwiegend die Meinung, dass auf vererbte Vermögen und Güter gar keine Steuern erhoben werden sollten. Als Argumentation dient, dass das vererbte Vermögen bereits zu Lebzeiten des Erblassers versteuert würde; mit dem Übergang auf die Erben würde eine weitere Versteuerung anfallen.

Der Steuer gegenüber positiv eingestellte Personen hingegen sprechen von einem unverdienten Vermögen, für das der Erbe selbst nichts getan habe. Diese Aussage vertritt mitunter auch Jens Beckert, Direktor des Max-Plank-Instituts für Gesellschaftsforschung.

(jco)
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