Europäische Zentralbank Was bringt die zweite "dicke Bertha"?

Frankfurt · Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte den Leitzins auf seiner heutigen Sitzung in Frankfurt abermals bei einem Prozent belassen. Anstatt wegen der schwachen Konjunktur und der schwelenden Schuldenkrise abermals an der Zinsschraube zu drehen, werden die Währungshüter aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst abwarten, wie ihre jüngsten Liquiditätsspritzen im Finanzsektor wirken und ob sie - wie erhofft - letztlich in der Realwirtschaft ankommen.

Die EZB hatte erst Ende Februar 530 Milliarden Euro in das Bankensystem gepumpt. Es war der zweite massive Geldregen aus Frankfurt, der seit Weihnachten über den Instituten in den 17 Euro-Ländern niederging - insgesamt gut eine Billion Euro.

EZB-Präsident Mario Draghi hat dieses Instrument seiner Krisenpolitik in Anlehnung an den Spitznamen einer gefürchteten Kriegswaffe des Ersten Weltkrieges als "Dicke Bertha" bezeichnet.

Vor den beiden drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften mit den Banken waren immer wieder Rufe nach der "Bazooka" der EZB laut geworden - gemeint waren damit unbegrenzte Ankäufe von Staatsanleihen zur Unterstützung europäischer Schuldenstaaten wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Italien. Dem hat sich die EZB jedoch immer verweigert - zuletzt hat sie drei Wochen lang gar keine Bonds von Krisenländern erworben.

Damit liegen Draghi und der EZB-Rat zwar inzwischen auf Linie mit der Bundesbank. Dennoch dürfte der vergangene Woche neu entbrannte Zwist der Frankfurter Währungsinstitutionen die traditionelle Pressekonferenz Draghis nach der EZB-Ratssitzung bestimmen.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte in einem an die Medien gelangten Brief deutliche Kritik an der Krisenpolitik der EZB geübt und dürfte sich damit nach Einschätzung mancher Beobachter im EZB-Rat weiter isoliert haben. Man darf gespannt sein, wie Draghi auf entsprechende Fragen von Journalisten reagieren wird. Weidmann hätte spätestens am kommenden Dienstag bei der Jahrespressekonferenz der Bundesbank Gelegenheit für eine Erwiderung.

Weiteres Top-Thema bei Draghis Auftritt vor dem Journalisten dürfte die laufende Umschuldung Griechenlands werden. Hier läuft der "freiwillige" Bondtausch der privaten Gläubiger - also vor allem Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften und Hedgefonds - noch bis zum späten Donnerstagabend.

Ob genügend Gläubiger teilnehmen oder nachträgliche Umschuldungsklauseln greifen werden, steht damit erst am Freitag fest. Die EZB hat bereits einen separaten Anleihetausch vorgenommen, um im Fall der Fälle Zwangsklauseln zu entgehen. Zudem vermied die Notenbank dadurch im Gegensatz zu den anderen Gläubigern der Griechen Verluste. Hätte die EZB nämlich Verluste gemacht, hätte sie de facto den griechischen Staat finanziert. Dies ist ihr aber verboten.

An der Zinsfront wird nach Ansicht der weitaus meisten Experten an diesem Donnerstag weiter Ruhe herrschen: Nur fünf von 74 von Reuters befragte Ökonomen erwarten, dass der rekordniedrige Schlüsselzins der EZB von einem Prozent um einen Viertel Prozentpunkt abgesenkt wird.

(REU)
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