Wirtschaftswachstum bei 7,4 Prozent Gewinner und Verlierer der chinesischen Wirtschaftsflaute

Harte Zeiten in China: Die Wirtschaft der Volksrepublik ist so langsam gewachsen wie seit fast 25 Jahren nicht mehr. Experten rechnen für die kommenden Jahre sogar mit einer weiteren Konjunkturabschwächung. Der Abschied von zweistelligen Wachstumsraten früherer Jahre bringt Verlierer hervor, aber auch Gewinner.

Wirtschaftswachstum: Gewinner und Verlierer der chinesischen Flaute
Foto: dpa, rdp bjw

Das Wirtschaftswunder ist vorbei. Das Reich der Mitte wuchs im vergangenen Jahr mit 7,4 Prozent so langsam wie seit 24 Jahren nicht mehr. "China kann nicht mehr die Wachstumslokomotive der Welt sein", sagt der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, in Peking. Das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde dürfte sich in diesem Jahr noch weiter abbremsen. Der Weltwährungsfonds (IWF) sagt nur noch 6,8 Prozent für China voraus.

Die Verlierer der Wachstumsflaute

Das setzt vor allem jene Industrien zu, die vom chinesischen Bauboom profitierten. Der Grund ist die neue Linie der kommunistischen Führung. Die will nämlich die Abhängigkeit vom Investitionen mindern und mehr auf nachhaltiges Wachstum setzen, das sich aus dem Binnenkonsum speisen soll.

In der Folge verlieren Bauunternehmer den Zugang zu Krediten und Baulizenzen. Die Auftragsbücher von Stahl-, Kupfer- und Zementlieferanten weisen immer mehr Leerstellen auf. Das Ergebnis ist ein massiver Stellenabbau im Bau- und Immobiliensektor.

Die Schockwellen sind auch weit über die Grenzen Chinas hinaus zu spüren, etwa in Länder wie Australien und Brasilien, die Eisenerz und andere Rohstoffe ausführen. Exportorientierte Industrien mit millionenstarker Belegschaft sind durch die schwache globale Nachfrage in Mitleidenschaft gezogen worden.

Der einst boomende Automobilmarkt hat sich abgekühlt, mit der Folge, dass Chinas heimische Marken Marktanteile an globale Rivalen abtreten muss. Der Absatz von Cognac, Schweizer Uhren, Designerkleidung und anderen Luxusgüter geriet ins Stocken, nicht zuletzt durch das harte Durchgreifen der Kommunistischen Partei gegen Korruption in den eigenen Reihen. Rückläufig sind auch die Einnahmen in Feinschmeckerrestaurants und Kasinos in Macau.

Dienstleister und IT-Unternehmen profitieren

Zu den Nutznießern gehören Akteure in der Technologiebranche, in privaten Unternehmen und im Segment Konsummarken. Das sind allesamt Bereiche, die die kommunistische Führung als neue Wachstumsquellen erschließen möchte. Der Onlinehandels-Riese Alibaba verbuchte im dritten Quartal 2014 einen Anstieg der Einnahmen um 54 Prozent. Dessen Rivale JD.com meldete ein Plus von 61 Prozent.

Neuunternehmer profitieren in bestimmten Sparten von Regeländerungen in China, die ihnen die Eröffnung von Friseurläden, Restaurants und Kleinbetrieben erleichtern sollen. Energieintensive Industrien wie Speditionen profitieren vom Einbruch der globalen Rohölpreise.

Die E-Commerce-Branche hat ungewöhnliche Gewinner hervorgebracht, darunter der noch junge Smartphone-Hersteller Xiaomi. Der Konzern setzt auf internetbasierten Vertrieb und Marketing, um Kosten zu senken und ließ damit im vergangenen Jahr Samsung als beliebteste Marke bei den Kunden hinter sich.

Ein Boom auf dem Aktienmarkt bescherte Maklerfirmen und Finanzdienstleistern einen warmen Profitregen.

Bergbauregionen in der Krise

Die abgeschwächte Konjunktur setzt Chinas wohlhabenden Metropolen an der Ostküste zu, doch die Auswirkungen im Landesinneren sind noch viel größer. Regionen, die sich auf Kohlebergbau, Stahlproduktion und andere Schwerindustrie-Branchen und Investitionen verließen, haben nun arg zu kämpfen. Wachstumsraten in Gebieten wie der Provinz Heilongjiang sind auf Werte nahe der Null-Marke abgesackt.

Behörden in den traditionellen Kohlebergbau-Regionen in Chinas Norden haben inzwischen zwar strikte Order, saubere Energiegewinnung zu fördern. Doch die Bemühungen tragen nur langsam Früchte. Selbst florierende Landesteile leiden: In den südöstlichen Provinzen Guangdong und Zhejiang, Heimat exportorientierter Produzenten von Möbeln, Kleidung und Spielzeug, hat die schwache Nachfrage aus dem Ausland die Schließung Hunderter Kleinbetriebe nach sich gezogen.

Staatsinsdustrie muss sich dem Wettbewerb stellen

Staatliche Unternehmen in Branchen wie Öl, Stahl, Bankenwesen und Telekommunikation erfreuen sich zwar noch immer ihrer Monopole und anderer Privilegien. Doch wenn die Pläne der Führung in Peking ausgeführt werden, müssen sich die Konzerne dem Wettbewerb stellen.

So sollen nach dem Willen der regierenden Partei "Marktkräfte" eine größere Rolle bei der Verteilung von Krediten und anderen Ressourcen spielen - auch wenn die Staatsunternehmen weiter die Kontrolle einer Reihe von Industrien zugestanden wird.

Im Bankensektor vollzieht sich schon jetzt ein Wandel von staatlicher Lenkung, etwa zur Subventionierung bestimmter Firmen, hin zu einem marktorientierten Modell, das mehr Kredite für private Unternehmen vorsieht. Staatseigene Stahl- und Aluminiumfabriken stehen nun unter Druck, ihren Betrieb sauberer und effizienter zu gestalten. Auch Ölgigant Sinopec soll sich jetzt breiter aufstellen: Der Konzern sucht nach Wegen, an seinen Tausenden Tankstellen im Land auch Lebensmittel und andere Güter zu verkaufen.

(ap)
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