Düsseldorf/Berlin Fiskus lässt Steuererklärungen liegen

Düsseldorf/Berlin · Die Steuererklärungen von bis zu einer halben Million Bürgern werden nicht bearbeitet, weil eine drei Jahre alte Gesetzesänderung erst jetzt umgesetzt wird. Das soll auch noch bis ins zweite Halbjahr so bleiben.

Albert R.* wartet seit fast zwei Monaten auf eine Nachricht seines Finanzamtes. Mitte März hat der 56-Jährige seine Steuererklärung abgegeben, einen Bescheid oder geschweige denn eine Rückzahlung hat er immer noch nicht erhalten. Zweimal erkundigte er sich nach dem Grund, und zweimal lautete die Antwort: Es gebe einen Softwarefehler. Die Steuererklärung könne im Moment nicht bearbeitet werden. Albert R. ist kein Einzelfall. Nach Schätzungen des Bundes der Steuerzahler in NRW könnten sogar mehr als 400 000 Bürger bundesweit betroffen sein. Der Grund ist aber nicht ein Softwarefehler, sondern eine drei Jahre alte Gesetzesänderung, die erst jetzt umgesetzt wird.

Betroffen sind solche Ehepaare, die in ihrer Steuererklärung nicht die "Zusammenveranlagung" beantragt haben, sondern die neue so genannte "Einzelveranlagung". Dadurch verzichten Ehepaare auf Vorteile durch das Ehegattensplitting. Für die meisten Paare ist das nicht attraktiv. Aber in einigen Konstellationen von Ehepartnern (siehe Box) können dadurch Steuervorteile entstehen. Wer seine Steuererklärung mit einem Computerprogramm erstellt, kann das per Knopfdruck ausrechnen lassen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sich zuletzt rund eine halbe Million Ehegatten getrennt veranlagen. Die Finanzbehörden machten zu der Zahl keine Angaben.

Für das Steuerjahr 2013 hat nun die neu geschaffene "Einzelveranlagung" die bisherige "getrennte Veranlagung" ersetzt - und das offenbar mit Folgen. "Einkommensteuererklärungen von Ehegatten, die diese neue Einzelveranlagung beantragen, können derzeit bundesweit nicht mit den Einkommensteuerprogrammen bearbeitet werden", erklärte die Oberfinanzdirektion NRW in der vergangenen Woche. "Grund hierfür sind noch offene Fachfragen zu der gesetzlichen Neuregelung, die zurzeit von den entsprechenden Bundesgremien bundeseinheitlich geklärt werden." Das sorge dafür, dass die Steuersoftware in den Finanzämtern noch gar nicht entsprechend programmiert ist. Anders ausgedrückt: Eine Neuregelung im Einkommensteuergesetz ist nicht umgesetzt worden, obwohl die Veranlagung schon seit März möglich ist und die Betroffenen ihre Steuererklärung bis Ende Mai abgegeben haben müssen. Ob dann aber die Finanzämter schon soweit sind, ist zweifelhaft.

Der Bund der Steuerzahler ist empört. "Die Gesetzesänderung ist schon lange bekannt. Wir haben kein Verständnis dafür, dass das nicht längst schon geklärt ist", sagt Hans-Ulrich Liebern, Leiter der Steuerabteilung des Steuerzahlerbundes NRW. Der Steuerexperte glaubt, dass es bei den "rechtlichen Fragen" um die saubere Trennung der Frei- und Pauschbeträge der Ehegatten geht. Ein Problem, das es ähnlich früher schon bei der "getrennten Veranlagung" gegeben hatte.

Diese Fragen wurden nun in der vergangenen Woche geklärt. Das Bundesfinanzministerium teilte unserer Redaktion daraufhin mit, in den Ländern könne nun die Umsetzung in der Programmierung erfolgen. Wann dann aber die liegengebliebenen Steuererklärungen bearbeitet werden können, ist ungewiss. "Ich rechne damit, dass die Bearbeitung der Erklärungen in der zweiten Jahreshälfte möglich sein wird. Genauere Zeitangaben kann ich derzeit nicht machen", teilte Katharina Hecker, Sprecherin der Oberfinanzdirektion NRW, auf Anfrage mit. Mit Hochdruck werde daran gearbeitet. Gesetzliche Änderungen stellten immer eine Herausforderung in der Umsetzung dar, die eines gewissen zeitlichen Vorlaufs bedürften.

Veröffentlicht wurde die Gesetzesänderung allerdings bereits im Bundesgesetzblatt mit dem Datum: 7. November 2011.

*Name der Redaktion bekannt

(RP)
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