Fragen und Antworten zum "Flash-Crash" Das müssen Sie zum Kurs-Absturz an den Börsen wissen

Frankfurt/Main · Der amerikanische Börsenindex Dow Jones ist am Montag um 4,6 Prozent abgerutscht, der deutsche Dax verlor seit dem 22. September rund sieben Prozent, es werden weitere Verluste erwartet. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum "Flash-Crash".

 Ein Aktienhändler am 05.02.2018 in New York.

Ein Aktienhändler am 05.02.2018 in New York.

Foto: dpa, hjb

Was ist die grundsätzlich wichtigste Ursache für die Kursschwächen?

So paradox es klingt: Hauptgrund für die aktuellen Börsenturbulenzen ist, dass es der Wirtschaft in Europa, den USA und auch global sehr gut geht. Weltweit sind die Wachstumsprognosen angehoben worden, die Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt so niedrig wie seit zwei Jahrzehnten nicht, die Inflation zieht langsam an. Und nun erwarten viele Experten langsam ein Ende der Politik des extrem billigen Geldes und der faktischen Null-Zins-Politik der Zentralbanken in den USA und Europa.

Als Ergebnis könnten neue Anleihen von Staaten oder Unternehmen wieder höhere Zinssätze als lächerlich niedrige 0,5 Prozent oder 1,5 Prozent bringen - und als indirekte Folge würden viele Anleger wie Versicherungen oder Fonds wieder mehr Geld in festverzinsliche stecken und ihren Aktienanteil wieder herunterfahren. Diejenigen, die diesen Trend erwarten, rechnen eher mit sinkenden Aktienkursen - und verkaufen jetzt.

Warum rutscht die US-Börse aber so plötzlich und heftig ab?

Von Menschen programmierte Computer steuern einen großen Teil der Aktienkäufe in der Welt. Und diese Rechenprogramme lösen teilweise einen automatischen Verkauf aus, wenn die Börse gewisse Haltepunkte erreicht hat. "The trend is my friend" (der Trend ist mein Freund), lautet eine alte Börsenweisheit - es ist zumindest für kurzfristig orientierte Anleger sinnvoller, einer Verkaufswelle zu folgen, als sich ihr entgegenzustellen.

Was bedeutet das konkret?

Wegen der computergesteuerten Verkäufe wachsen die Kursverluste an wie ein Schneeball, der einen verschneiten Hügel herunterrollt. Händler an der Wall Street sehen den Kursrutsch des Dow Jones unter 25.000 Punkte und den des noch breiteren Standard & Poors-Index 500 unter 2700 Zähler als solche potenziellen Auslöser.

In Deutschland könnte es ähnliche Folgen haben, falls der Dax unter die sensible Marke von 12.000 Punkten fällt. Diesen Wert übersprang der Index im vergangenen März und zog seitdem bis auf den bisherigen Höchststand von 13.559 Punkten am 23. Januar an. Seitdem geht es eben wieder bergab.

Also stehen weitere Kursverluste bevor?

Das kann gut sein. Wegen der insgesamt wirtschaftlich guten Lage ist allerdings auch eine erneute Korrektur nach oben denkbar. Zur Erinnerung: Im September war der Dax nach einem Hoch von 12.800 Punkten kurzfristig unter 12.000 Punkte gerutscht - und schoss dann wieder um 13 Prozent bis zum 23. Januar hoch.

Noch am Montag bestätigte der Chef des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, Christoph Schmidt, seine positive Prognose für die Konjunktur in Deutschland und auch NRW: 2,2 Prozent Wachstum seien drin, die Arbeitslosigkeit würde voraussichtlich weiter absinken.

Könnte der Börsencrash auch zu einem Absturz der Realwirtschaft führen?

Dies ist denkbar, erscheint aber im Moment nicht sehr wahrscheinlich. Man darf nicht übersehen, dass in den USA, Großbritannien, vielen Ländern Skandinaviens oder auch den Niederlanden viel mehr Familien als in Deutschland einen relativ großen Teil ihrer Ersparnisse in Aktien und Aktienfonds investiert haben.

Sofern hier der Wertverlust sehr groß würde, könnte dies die Konsumfreude senken. Voraussetzung wären allerdings deutlich größere Kursverluste als die bisherige reine Korrektur von Höchstkursen.

Sollten Anleger jetzt einsteigen?

"Greife nie in ein fallendes Messer", sagen Börsianer - es ist also nicht ohne Risiko, Papiere in einem fallenden Markt zu kaufen. Grundsätzlich raten aber viele Experten wie auch der Chefredakteur des Portals Finanztip, Hermann-Josef Tenhagen, dazu, einen Teil der Ersparnisse in Aktienvermögen zu investieren.

Der einzige Grund hierfür ist: Die historische Erfahrung zeigt, dass Aktien auf lange Dauer eine höhere Wertentwicklung haben als festverzinsliche Anlagen. So gesehen ist ein Aktienkauf nach einem Crash jedenfalls deutlich schlauer als vor einem Crash.

Gibt es einen grundsätzlichen Schutz gegen Crashs an der Börse?

Eigentlich nicht, denn Sicherungsgeschäfte sind für Kleinanleger zu teuer. Zwei Ratschläge sollten private Investoren aber beachten: "Nicht alle Eier in einen Korb legen", lautet die wohl wichtigste Börsenweisheit. Das Risiko breit zu streuen, ist entscheidend.

Zweitens sollten Anleger ihre Aktien nicht alle zum gleichen Zeitpunkt kaufen, sondern über einen längeren Zeitraum hin verteilt, wenn es geht. Dann profitieren sie vom sogenannten "Cost-Average-Effekt": Bei einem Crash erhalten sie für das gleiche Geld mehr Papiere, bei Höchstständen profitieren sie von der hohen Bewertung.

Am Ende ist dann der richtige Verkaufszeitpunkt wichtig: Junge Anleger können Tiefs an der Börse besser aussitzen als ältere Investoren, die das Geld möglicherweise schon bald benötigen. Der Aktienanteil sollte also bei einem 30-Jährigen höher sein als bei einem 60-Jährigen. Schließlich hat der 30-Jährige noch mehr Zeit, die Achterbahnfahrt an der Börse auszusitzen.

Was für eine Anlagemöglichkeit gibt es neben Einzelpapieren und Fonds?

Um das Risiko zu streuen und gleichzeitig die Gebühren in Grenzen zu halten, ist eine Möglichkeit, das Geld in sogenannten Indexfonds (ETF) zu investieren: Dabei werden die Papiere eines bekannten Index wie des Dax (die 30 wichtigsten an der Börse notierten Konzerne Deutschlands) gemeinsam von der Fonds-Firma gekauft.

Der Vorteil: Weil die Auswahl der Papiere praktisch keine Arbeit macht, ist die Bearbeitungsgebühr sehr niedrig. Als Alternative sind aber auch Einzelkäufe von Aktien oder auch klassische Fonds (mit höheren Gebühren) möglich.

(rky)
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