Thomas Böhle "Flüchtlingskrise engt Lohnspielraum ein"

Der Chef des Verbands der kommunalen Arbeitgeberverbände warnt vor überzogenen Forderungen bei Bund und Kommunen.

 VKA-Verhandlungsführer Thomas Böhle.

VKA-Verhandlungsführer Thomas Böhle.

Foto: Stadt München

Der Konsum gilt als Stütze der deutschen Wirtschaft. Da könnten Sie mit der Tarifrunde der Konjunktur einen saftigen Anstoß geben.

Böhle In der Vergangenheit ist das doch erfolgt. Ansonsten würde der Konsum heute nicht derart gut laufen. Die Tariflöhne der 2,1 Millionen Kommunalbeschäftigten sind zuletzt stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft. Einen Nachholbedarf sehe ich da nicht. Zu hohe Abschlüsse würden die ohnehin angespannte Lage vieler Kommunen noch verschärfen. Ein Abschluss muss von allen Kommunen getragen werden können.

Das Bundesfinanzministerium hat die kommunale Finanzsituation jüngst aber als "weiterhin gut" bezeichnet. Seit 2012 erzielen die Kommunen wieder Überschüsse.

Böhle Die Situation ist von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Es ist zudem nicht redlich, ausschließlich auf die Einnahmenseite zu schauen. Die Schuldenlast ist seit 2007 von 110,6 Milliarden Euro auf 144,5 Milliarden Euro gestiegen, 50,8 Milliarden Euro davon als Kassenkredite. Und diese Situation wird durch die Flüchtlingskrise verschärft.

Nach dieser Logik müssten Sie eine Nullrunde fordern.

Böhle Unsere Leute leisten hervorragende Arbeit. Sie haben ein Anrecht darauf, an den Verbesserungen der gesamtwirtschaftlichen Lage zu partizipieren.

In der Industrie zeichnen sich gerade Forderungen um die fünf Prozent und aufwärts ab. Was würde eine solche Forderung für die Kommunen bedeuten?

Böhle Eine solche Forderung hätte mit dem Ergebnis relativ wenig zu tun.

Wie teuer kommt die Kommunen ein Prozentpunkt zu stehen?

Böhle Jeder Prozentpunkt der gewerkschaftlichen Lohnforderungen kostet die kommunalen Arbeitgeber zusätzlich 900 Millionen Euro jährlich.

Wie sehr beschränkt die Flüchtlingskrise Ihren Spielraum?

Böhle Wir reden hier über massive Belastungen durch die Unterbringung und die Integration. Eine genaue Zahl lässt sich seriös nicht bestimmen. Natürlich belastet das die kommunalen Haushalte.

Aber gerade wegen der Flüchtlingskrise arbeiten viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst am Limit. Muss man das nicht monetär belohnen?

Böhle Wichtiger ist, dass die Arbeitsverdichtung zügig abgebaut wird. Das schaffen wir nur über zusätzliches Personal. Zu starke Entgelterhöhungen verhindern aber Neueinstellungen.

Sie könnten sich auf Öffnungsklauseln einlassen.

Böhle Das halte ich für ausgeschlossen. Das würde den Flächentarifvertrag gefährden. Daran kann auch die Gewerkschaft kein Interesse haben.

Müssten im Umkehrschluss solvente Kommunen auch nach oben hin abweichen dürfen, um die besten Leute zu bekommen?

Böhle Einen solchen Weg werden die Gewerkschaften wohl nicht mittragen, weil diese traditionell eher versuchen, in den unteren Einkommensgruppen Verbesserungen durchzusetzen. Außerdem gibt es über Arbeitgeberrichtlinien schon heute Möglichkeiten, im Einzelfall draufzuzahlen.

Die Gewerkschaften haben Ihnen bereits höhere Löhne im Sozial- und Erziehungsdienst abgetrotzt. Wie stark belastet der Abschluss die kommunalen Haushalte?

Böhle Der Tarifabschluss im Sozial- und Erziehungsdienst bedeutet für die kommunalen Arbeitgeber jährliche Mehrkosten von rund 315 Millionen Euro.

Wie groß ist die Sorge, dass weitere Sondertarifrunden auf Sie zukommen?

Böhle Ich will so etwas nicht herbeireden. Die Gewerkschaften sollten auch bedenken, dass keiner ein Interesse an einer weiteren Zerklüftung des öffentlichen Dienstes haben kann.

Sie verhandeln zugleich auch über die Entgeltordnung. Werden Sie bei dem Thema pünktlich zur Tarifrunde fertig?

Böhle Der aktuelle Verhandlungsstand nährt die Hoffnung, dass wir bei dem Thema vor der Tarifrunde zu einer Einigung kommen. Das wird den Abschluss allerdings nicht erleichtern, da die neue Entgeltordnung ebenfalls zu Mehrkosten bei den Kommunen führen wird. Wir haben mit den Gewerkschaften 2013 vereinbart, dass diese Kosten in der Tarifrunde angemessen kompensiert werden. Daran werden wir die Gewerkschaften natürlich erinnern.

Werden Sie das Thema betriebliche Zusatzversorgung auf die Agenda heben - also die Abkehr von Auszahlungs-Garantie hin zu einer Beitragsgarantie?

Böhle Es muss bei den steigenden Lasten der Zusatzversorgung eine Einigung her. Die Menschen werden - Gott sei Dank - älter. Das macht das System für uns aber auch sehr teuer. Hinzu kommt das niedrige Zinsniveau. Wir müssen das System so anpassen, dass die Zusatzversorgung finanzierbar bleibt.

Was schwebt Ihnen vor?

Böhle Wir reden über zwei Alternativen: Entweder geht es um Leistungskürzungen oder um einen Beitrag der Arbeitnehmer bei der Einzahlung. Wir reden über beide Varianten.

Stichwort Streiks. Wie hitzig wird es diesmal zur Sache gehen?

Böhle Erfahrungsgemäß lassen die Gewerkschaften keine Gelegenheit aus, um in Streikmaßnahmen einzutreten. Ich hoffe trotzdem stark, dass wir am Verhandlungstisch vorankommen und der Bevölkerung Streiks erspart bleiben.

MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(maxi)
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