Frankreich erhöht Steuern massiv

Die Regierung des zweitwichtigsten Euro-Landes will 30 Milliarden Euro einsammeln und sparen, um das Defizit zu senken. Doch Fachleute fordern mehr Reformen. Gleichzeitig kam gestern Abend die Stunde der Wahrheit für Spaniens Banken. Sie brauchen bis zu 59,9 Milliarden Euro.

PARIS/Madrid In zwei der wichtigsten Euro-Länder gab es gestern mehr Klarheit dazu, welche Schritte bevorstehen oder notwendig sind, um der jeweiligen Krise zu begegnen. Frankreich stellte den ersten Staatshaushalt der neuen Regierung vor, während nun klar ist, wie viel Hilfe die angeschlagenen Banken Spaniens brauchen: Es sind 59,9 Milliarden Euro, davon, 49 Milliarden Euro für die vier verstaatlichen Geldhäuser.

Ursprünglich waren bis zu 100 Milliarden Euro zugesagt worden, um die Folgen von zu vielen wackelnden Krediten im Häusermarkt aufzufangen. Jetzt bestätigt sich eine erste Schätzung, dass die Zahlen nicht so groß sind. Außerdem ist positiv, dass die drei größten Banken des Landes Santander, BBVA und La Caixa keine Finanzhilfe brauchen – was allerdings von allen Experten erwartet worden war.

Zu Paris: Null Wachstum, ein Berg voller Schulden, Sozialpläne und mehr als drei Millionen Arbeitslose - es ist ein düsterer Kontext, in dem Frankreichs sozialistische Regierung gestern ihren ersten Haushalt seit dem Wahlsieg vorgestellt hat. Für die zweitgrößte europäische Volkswirtschaft steht viel auf dem Spiel, will sie das Vertrauen ihrer Anleger bewahren und dabei nicht weiter in die Krise rutschen. Der Etat 2013 sollte damit zum Glaubwürdigkeitstest für Präsident François Hollande werden, der von seinen Landsleuten "nie dagewesene Anstrengungen" verlangte.

Während Frankreich seit Mitte der 1970er Jahre kein ausgeglichenes Budget mehr vorgelegt hat, macht der Entwurf 2013 Ernst mit Hollandes im Wahlkampf zugesagten Konsolidierungsbemühungen. So sieht der Etat, wie versprochen, eine Rückführung der Neuverschuldung von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr auf 3 Prozent 2013 vor.

Dafür muss indes ein gigantisches Loch von mindestens 36,9 Milliarden Euro gestopft werden. Zehn Milliarden Euro will der Staat sparen, jeweils zehn Milliarden Euro sollen über Steuererhöhungen bei Bürgern und Unternehmen eingenommen werden - zusätzlich zu bereits beschlossenen Steuererhöhungen von 4,4 Milliarden Euro. Dazu kommen Einsparungen bei der Krankenversicherung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Die historische Dimension des striktesten Haushaltsplans seit Jahrzehnten zeigte sich auch im Auftritt des Premierministers. Gleich nach Ende der Kabinettssitzung trat Jean-Marc Ayrault persönlich vor die Kameras, um den Gesetzentwurf zu verteidigen: "Dies ist ein Kampfbudget, um das Land wieder aufzurichten und um gegen eine Verschuldung anzugehen, die stetig ansteigt und die Schuldzins-Rechnung den Franzosen und künftigen Generationen aufbürdet." Die Staatsverschuldung sei mittlerweile auf mehr als 90 Prozent des BIP angestiegen, erklärte Ayrault und sprach von einem "mutigen, aber verantwortungsvollen" Budget. Die Regierung betonte, die Mehrbelastungen beträfen vor allem Besserverdiener und Konzerne.

Unter anderem werden zwei neue Steuertranchen von 45 Prozent für Einkommen ab 150 000 Euro sowie eine Reichensteuer von 75 Prozent für Einkommensmillionäre eingeführt sowie Steuerschlupflöcher teilweise gestopft. "9 von 10 Franzosen werden die Steuererhöhungen nicht zu spüren bekommen", behauptete er. Tatsächlich sieht der Entwurf eine Reduzierung des Familienfreibetrags vor. Steuerfreiheit von Übersstundenzuschlägen wurde gekippt.

Fachleute bezweifeln zudem, dass die Maßnahmen ausreichen, um das Defizit auf drei Prozent zu drücken. Wirtschaftsexperte Henri Sterdyniak sprach von einem "vollkommen unrealistischen Ziel". Insbesondere gilt die Wachstumsprognose von 0,8 Prozent, die dem Budget zugrunde liegt, vielen als zu hoch gegriffen, zumal Frankreich derzeit stagniert. Insgesamt,so viele Experten, muss die Wirtschaft deutlich produktiver werden, umwieder erfolgreich zu sein.

(RP)
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