Gründerszene Frankreich setzt auf Start-ups gegen die Rekordarbeitslosigkeit

Paris · Allein in Paris gibt es mehr als 50 Bürogebäude, wo Dutzende Gründer zusammenfinden. Die Gründerszene verbreitet Optimismus.

Fahrräder stehen in der Eingangshalle, der Boden ist mit Pappe abgedeckt, die Farbe noch nicht überall trocken. Doch gearbeitet wird in der Rue Saint Georges im neunten Stadtbezirk von Paris schon eifrig. Seit etwa einem halben Jahr sitzt Captain Train in dem Gebäude - ein Unternehmen, das die europaweite Buchung von Zugtickets im Internet ermöglicht.

"Wir sind eine Erfolgsstory", sagt Mounir Laggoune, Bereichsleiter Deutschland. Start-ups wie Captain Train, das 2009 mit drei Ingenieuren begann und heute 55 Mitarbeiter hat, sind der Stolz von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Der Ex-Banker führte 2013 das Label French Tech ein für die Gründer im Technologiebereich, die von der Regierung besonders stark gehätschelt werden.

"In Frankreich herrscht ein Ökosystem, das der Gründerszene hilft" sagt Maïa Thomine Desmasures von Business France, der Agentur für die internationale Entwicklung der französischen Wirtschaft. Die öffentliche Investitionsbank BPI gibt Risikokapital, Großstädte wie Paris oder Lyon bieten Büroraum und Hilfe bei juristischen und Verwaltungsfragen. "Man ist in Frankreich als Start-up-Unternehmer nicht allein", sagt auch Laggoune.

Allein in Paris gibt es mehr als 50 Bürogebäude, wo Dutzende Gründer zusammenfinden — etwa die Halles Freyssinet, die Ende des Jahres eröffnen. 1000 Start-ups sollen im früheren Lager der Staatsbahn SNCF unterkommen - das weltweit größte Projekt seiner Art.

Xavier Niel steckt dahinter, der Selfmademan, der mit seiner Internetfirma Free den französischen Markt revolutionierte und heute zu den reichsten Franzosen gehört. Niel, dessen Fonds Kima jede Woche in zwei bis drei Start-ups investiert, gründete auch eine kostenlose Informatik-Schule für junge Menschen. Ein vielversprechender Ansatz in einem Land, in dem die Jugendarbeitslosigkeit bei rund 25 Prozent liegt.

Kein Wunder, dass Präsident François Hollande, der dem Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit höchste Priorität einräumt, die Start-ups unterstützt. Zuletzt lud er 50 junge Unternehmer aus dem Ausland in den Elysée-Palast. Sie waren unter mehr als 1300 Bewerbern für das French Tech Ticket ausgewählt worden, ein Stipendium, das einen Platz in einem Pariser Bürokomplex, eine Aufenthaltserlaubnis und 25.000 Euro garantiert.

"Frankreich beschränkt sich nicht nur auf Eiffelturm und Gastronomie, sondern hat auch eine dynamische Technologieszene", lobt Thomine Desmasures von Business France. Um das zu zeigen, reisen die French Tech-Unternehmen zu den angesagten Messen weltweit. Beim Mobile World Congress in Barcelona im Februar stellten die Franzosen die größte Teilnehmergruppe, bei der Technikmesse CES in Las Vegas im Januar war die französische Delegation nach den USA die zweitstärkste. In einem Land, in dem immer mehr Industriebetriebe schließen müssen, verbreiten die Start-ups einen wohltuenden Optimismus. Mehr als 4000 Stellen schuf die Gründerszene 2014 allein in Paris.

Die meisten Start-ups bleiben allerdings klein. Nur drei der 40 jungen europäischen Technologieunternehmen mit einem Marktwert von mehr als einer Milliarde Dollar stammen aus Frankreich. "Frankreich schafft es immer besser, Unternehmen hervorzubringen, aber nicht, sie auch wachsen zu lassen", kritisiert die Wirtschaftszeitung "La Tribune". Immerhin: Eine der Ausnahmen, BlaBlaCar, ist inzwischen die größte Mitfahrzentrale Europas - und wirbt längst auch auf dem deutschen Markt mit großen Plakaten und Werbespots um Kunden.

(RP)
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