Stockholm Franzose Jean Tirole erhält Wirtschaftsnobelpreis

Stockholm · Der Ökonom wird für seine Forschung zur Marktmacht und Regulierung ausgezeichnet.

Zuletzt war es schon fast ein Naturgesetz, dass der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an gleich mehrere Ökonomen geht - zumeist an Amerikaner. Entsprechend gab es gestern eine doppelte Überraschung, als in Stockholm der diesjährige Preisträger bekannt gegeben wurde: Der Franzose Jean Tirole erhält allein die mit 875 000 Euro dotierte höchste wissenschaftliche Auszeichnung der Zunft. Der in Toulouse Lehrende zeigte sich bewegt von der Ehrung: "Ich bin sehr, sehr dankbar", sagte er während einer Telefonschaltung.

Der 61-Jährige wird für seine theoretische Forschung zu den Themen Marktmacht und Regulierung ausgezeichnet. Lange Zeit konzentrierten sich die Ökonomen im Falle von Marktkonzentration auf zwei Extremfälle: das Monopol und den vollständigen Wettbewerb. Ökonomen versuchten, möglichst allgemeingültige Aussagen für alle Branchen gleichzeitig zu treffen. Tirole ging von dieser unrealistischen Vorstellung in mehreren Aufsätzen Anfang der 80er Jahre ab. Er interessierte sich vor allem für Marktsituationen mit nur wenigen, mächtigen Produzenten, die Preise, Verkaufsmengen und Qualität bestimmen können - sogenannte Oligopole. Diese kommen häufig in ehemals staatlichen Branchen vor, etwa bei den großen Anbietern im Telekommunikationssektor, in der Stromerzeugung oder im Transportwesen.

Tirole suchte mit seinem 2004 verstorbenen Kollegen Jean-Jacques Laffont nach Wegen, wie man diese markmächtigen Unternehmen daran hindern kann, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen oder Kunden zu übervorteilen - also kurz: der Gesellschaft zu schaden. Seine Antwort lautet, statt auf das freie Spiel der Marktkräfte lieber auf geschickte Regulierung zu setzen. Und obwohl er eigentlich ein Mann der Theorie ist, liefert er ganz praktische Anwendungen. Dazu nutzt er die Spieltheorie: Wirtschaftsakteure werden dabei als Spieler verstanden, die mit- und gegeneinander interagieren und dabei unterschiedliche Ausgangsbedingungen haben können. So weiß etwa eine Marktregulierungsbehörde nichts über die Kosten oder die Qualität der Produkte eines Unternehmens. Mit Hilfe der Spieltheorie fand er dennoch Wege, wie die Unternehmen von sich aus die gewünschten Informationen preisgeben - beispielsweise durch entsprechende Produktionsverträge. Das Nobelpreis-Komitee überschlug sich geradezu in seiner Begründung: Diese Verträge seien "clever", "elegant" und "genial konstruiert". Seine Erkenntnisse nützten Wettbewerbsbehörden weltweit, wenn diese etwa über Preis-Dumping oder Fusionen entscheiden müssten, so die Jury.

(RP)
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