Gehaltsunterschiede in den EU-Staaten Frauen verdienen in Deutschland 22 Prozent weniger

Berlin · In keinem anderen großen EU-Land sind die Gehaltsunterschiede zwischen vollzeitbeschäftigten Männern und Frauen so hoch wie in Deutschland. Im Alter ist die Einkommenslücke noch größer: Frauen erhalten 50 Prozent weniger Rente.

Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen
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Foto: graf

Frau arbeitet — symbolisch betrachtet — in Deutschland noch bis zum 21. März kostenlos. So sieht es jedenfalls das Frauennetzwerk "Business and Professional Women", das für jedes neue Jahr den "Equal Pay Day" für die Bundesrepublik berechnet. Das ist der Tag im Jahr, bis zu dem die durchschnittliche Deutsche arbeiten muss, um genauso viel zu verdienen, wie ihr männlicher Kollege bis zum Vorjahresende bereits erhalten hat. Eigentlich könnte er bis zu diesem Tag auch frei machen, wenn er am Jahresende genauso wenig in der Tasche haben wollte wie sie.

Der "Equal Pay Day" soll verdeutlichen, wie groß noch immer gerade auch in Deutschland die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind. Nach übereinstimmender Analyse der Industrieländer-Organisation OECD, der europäischen Statistikbehörde Eurostat oder auch des Statistischen Bundesamtes liegt die Gehaltslücke bei uns im Durchschnitt bei etwa 22 Prozent. Dies gilt — wohlgemerkt — nicht für Teilzeitkräfte, sondern für alle auf Vollzeitstellen umgerechneten Bruttostundenlöhne.

Allerdings ermittelt das Statistische Bundesamt auch eine um viele Faktoren "bereinigte" Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, auf die sich die Wirtschaftsverbände gerne beziehen. Rechne man Faktoren wie die unterschiedliche Berufswahl von Männern und Frauen, die höhere Teilzeit- und Mini-Job-Quote bei Frauen sowie die Erwerbsunterbrechungen wegen der Kindererziehung heraus, bleibe nur eine Gehaltslücke von acht Prozent.

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Monika Queisser, Expertin bei der OECD in Paris, will sich den Befund einer deutlich sichtbaren Lohnlücke vor allem in Deutschland durch solche Berechnungen nicht kleinreden lassen. Nach Estland und Österreich sei Deutschland das EU-Land mit den höchsten geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschieden.

Auffällig sei die enorm hohe Teilzeitquote in Deutschland, fast jede Zweite arbeite hier nur Teilzeit. Ihre Stundenlöhne würden in den Statistiken umgerechnet auf Vollzeitlöhne. Da Teilzeitbeschäftigte im Schnitt aber geringere Stundenlöhne erhielten, könne das Teilzeit-Argument ein Drittel der Gehaltslücke erklären, sagt Queisser. Viele Frauen wollten viel lieber Vollzeit arbeiten, könnten es aber nicht. Frauen seien in den besser bezahlten Berufen zudem weniger vertreten, das erkläre das zweite Drittel. Das letzte Drittel aber habe "viel mit Diskriminierung zu tun", sagt Queisser. Dies zeigten auch die Erfahrungsberichte kinderloser Frauen, die stets berufstätig waren — aber weniger verdienten als Männer in ähnlicher Position.

Noch größer sind die Unterschiede im Alter. Die gesetzliche Altersrente deutscher Frauen erreicht nach OECD-Daten im Schnitt nur 50 Prozent der Rente der Männer. Nirgendwo in Europa ist der Unterschied größer: Altersarmut ist vor allem weiblich. "Jede zweite Frau hat keine volle Stelle. Entsprechend weniger verdient sie und wird auch nur eine magere Rente bekommen", warnt die Buchautorin Bascha Mika. "Das Problem fängt meist bereits mit dem ersten Kind an. Wenn Frauen Ende 40 sind und die Kinder aus dem Haus gehen, bekommen sie häufig keinen Vollzeitjob mehr. Einmal Teilzeit, immer Teilzeit."

(mar)
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