Wolfsburg Friede, Freude, Vorstandsboni

Wolfsburg · Der alte Dreiklang gehört der Vergangenheit an. Seit Bekanntwerden des Abgasskandals wird hinter den Kulissen gestritten.

Mehr, als es sein dürfte - dieser Satz ist im Moment das größte Problem für Volkswagen.

Da ist zum einen der VW-Passat, der seit Wochen in den Werkstätten nachgerüstet werden sollte. Doch weil der Spritverbrauch beim durch den Abgasskandal notwendig gewordenen Software-Update steigen würde, verweigert das Kraftfahrtbundesamt die Freigabe. "Wir müssen noch mal an die Software ran", sagte ein VW-Sprecher. Zum anderen sind da die Millionen-Boni für den Vorstand, die angesichts des Skandals öffentlich kaum vermittelbar scheinen, an denen Teile des Managements aber festhalten.

Gestern beriet die Spitze des Aufsichtsrats - ohne Ergebnis. Dabei gäbe es Vorbilder: Nachdem die Deutsche Bank 2015 einen Milliarden-Verlust gemacht hatte, strich der Aufsichtsrat den Vorständen die Boni. Anders als bei VW waren diese aber nicht vertraglich zugesichert. Das machte es für die Bank leichter, ein Zeichen zu setzen.

Bei VW ist die Sache ungleich schwerer. Die Boni sind Bestandteil der Bezahlung, machen angeblich bis zu 90 Prozent aus. Konzernchef Matthias Müller soll einen Abschlag von 30 Prozent vorgeschlagen haben. Nun wird verhandelt.

Einen Schritt weiter ist Müller bei der Planung seiner Strategie 2025. Der Konzernvorstand einigte sich gestern mit dem Betriebsrat auf eine Rahmenvereinbarung für die künftige Ausrichtung des Unternehmens. Unter Leitung von VW-Markenchef Herbert Diess solle mit der Arbeitnehmervertretung über standortsichernde Maßnahmen verhandelt und ein Konzept erarbeitet werden, teilte VW mit.

Insider werten dies als Niederlage für Diess. Dieser verfolgt seit seinem Wechsel von BMW zu VW im vergangenen Jahr das Ziel, die Kernmarke wieder profitabler zu machen - und machte sich damit den mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh zum Gegner. Dieser hat qua Amt wenig Interesse an einer Effizienzstrategie, die am Ende zum Stellenabbau führen könnte. Doch ohne seine Zustimmung geht bei VW nichts. "Die stärkste Person im Konzern ist der Betriebsratsvorsitzende", bestätigt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen.

Dabei gibt es aus Sicht von Dudenhöffer durchaus Argumente für den Kurs von Diess. Denn die Kernmarke VW ist seit längerem das Sorgenkind im Konzern. Zwar kommt mehr als jeder zweite Euro im Bereich Automobile von VW-Pkw, aber nur ein Fünftel des operativen Gewinns. Die Sparten Audi, Porsche oder Skoda sind deutlich profita-bler. "Skoda erzielt im Vergleich zu VW-Pkw fast doppelt so viel Gewinn pro Fahrzeug", sagt Dudenhöffer. Bei Konkurrent Toyota ist es sogar knapp dreimal so viel.

In den guten Jahren, in denen VW von Erfolg zu Erfolg eilte, war das kein Problem. Am Ende des Tages waren schließlich alle glücklich: Die VW-Mitarbeiter bekamen gute Gehälter und hohe Sonderzahlungen, die Vorstände freuten sich über Millionen-Boni, die Anteilseigner inklusive Niedersachsen über sprudelnde Gewinne (und das Land dazu noch über sichere Arbeitsplätze) und die Gewerkschaft IG Metall hatte zufriedene Mitglieder.

Diese heile Welt hat der Abgasskandal erschüttert. Angesichts drohender Milliardenstrafen, teurer Prozesse und möglicher langfristiger Absatzeinbrüche muss der Konzern sparen. Gleichzeitig muss der Autobauer jedoch investieren, um bei wichtigen Themen wie der Elektromobilität oder dem autonomen Fahren vorne dabei zu sein.

Auch aus diesem Grund dürfte der Konzern darauf setzen, bald wieder Geld am Kapitalmarkt aufnehmen zu können. Gestern bestätigte ein Sprecher Pläne, nach denen Volkswagen bis zur Jahresmitte wieder Anleihen platzieren will. Insider sagten, ein solcher Schritt sei bereits im Mai möglich. Europas größter Autobauer habe bereits Gespräche mit Banken aufgenommen. Volkswagen hatte im Dezember von mehreren Großbanken einen Überbrückungskredit über 20 Milliarden Euro erhalten, um die Kosten des Abgasskandals abzufedern.

(frin)
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