GDL am Ziel Nächster Halt: Schlichtung

Berlin/Düsseldorf · GDL-Chef Weselsky ist fast am Ziel. Er konnte das Recht auf eigenständige Tarifverträge für fast alle Berufsgruppen durchsetzen.

Aufatmen bei Millionen Fahrgästen und im Bahn-Management: Gestern Morgen um zwei Uhr einigten sich der Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, und Bahn-Vorstand Ulrich Weber im nunmehr zehn Monate langen Tarifkonflikt doch auf eine Schlichtung. Die GDL sagte zu, den längsten Bahnstreik der Geschichte vorzeitig zu beenden. Seit gestern 19 Uhr fahren die Lokführer wieder. Spätestens am Samstagmorgen sollen auch die IC und ICE im Fernverkehr wieder reibungslos nach Fahrplan funktionieren.

Der Fahrgastverband "Pro Bahn" sieht gute Chancen für ein dauerhaftes Ende des Bahnstreiks. "Für die Schlichtung gibt es nicht allzu viele Vorbedingungen. Deshalb könnte die Schlichtung erfolgreich sein", sagte der Ehrenvorsitzende des Verbandes, Karl-Peter Naumann. "Wir sind erleichtert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung."

Warum hat Weselsky eingelenkt? Der GDL-Chef stand vor der Einführung des Gesetzes zur Tarifeinheit unter Zeitdruck: Das Gesetz, das heute im Bundestag verabschiedet und am 1. Juli in Kraft treten soll, sieht vor, dass in einem Betrieb für dieselbe Berufsgruppe nur noch die Gewerkschaft einen gültigen Tarifvertrag aushandeln kann, in der die meisten Betroffenen Mitglieder sind. In der GDL sind die meisten Lokführer organisiert, nicht aber die meisten Zugbegleiter. Die GDL hätte also nach Inkrafttreten nur noch für die Lokführer verhandeln können. CDU-Mitglied Weselsky gelang es jedoch, der Bahn eine schriftliche Zusage abzutrotzen, dass die GDL für alle Berufsgruppen einen eigenen Tarifvertrag bekommt. "Die GDL braucht vor Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes einen gültigen Tarifvertrag für alle von ihr vertretenen Berufsgruppen. Dieser hätte auch danach Bestand", sagt der Experte der Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck. Ziel der Bahn bleibt, Unterschiede in den Tarifverträgen - etwa bei Arbeitszeiten - zu vermeiden, die den Betriebsablauf komplizierter machen. Warum sind eigenständige Tarifverträge für die GDL so wichtig? Mit Verträgen für Zugbegleiter, Bordgastronomen, Planer und mit Lokführern gleichgestellte Lokrangierführer hätte die kleine GDL für die gesamte Laufzeit einen Fuß in der Tür. Dann ginge es darum, die größere EVG bei der Mitgliederzahl in möglichst vielen Betrieben der Bahn zu überflügeln und unter den Bedingungen der Tarifeinheit die tarifbestimmende Gewerkschaft zu werden. Beschränkt sich die GDL hingegen auf die Lokführer, müsste sie darauf hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht das Tarifeinheitsgesetz kippt. Welche Rolle spielten die parallelen Verhandlungen mit der EVG? Gestern sollten die parallelen Tarifverhandlungen der EVG mit der Bahn zum Abschluss kommen. Hätte sich die GDL nicht vorher auf eine Schlichtung eingelassen, wäre der Druck auf sie gewaltig gestiegen: Sie hätte bei allen Berufsgruppen mit Ausnahme der Lokführer dann gegen bestehende Tarifverträge der größeren EVG ankämpfen müssen. Die EVG geht mit einem Abschluss ohne Streik kein Risiko ein: Sie wird sich in Klauseln das Recht für Nachverhandlungen offenhalten, sollte die GDL mehr herausholen.

Wird das Gesetz Streiks der Spartengewerkschaften verhindern? Kaum, denn Machtkämpfe wie bei der Bahn sind selten der Haupt-Streikgrund. Wenn die Pilotengewerkschaft Cockpit bei der Lufthansa streikt oder die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund in Kliniken, wollen sie bessere Bedingungen für ihre Mitglieder erkämpfen - und das bleibt weiterhin ihr gutes Recht.

Welche Folgen haben die Lokführerstreiks für die Bahn? Die Streiks haben der Bahn bisher einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe zugefügt. Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz forderte: "Wenn alle Welt dabei ist, das selbstfahrende Auto zu entwickeln, ist es auch möglich ohne Sicherheitsnachteile selbstfahrende Züge zu schaffen. Diese Alternative sollte eine Option für die Zukunft sein."

(mar / qua)
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