Dirk Ströer "Geschäftsgeheimnisse niemals per SMS"

Multi-Unternehmer Dirk Ströer hat gerade den deutschen Whats-App-Konkurrenten Hoccer gekauft. Vollständige Datensicherheit im Internet gibt es nicht, meint der Experte. Aber er glaubt fest an die Zukunft der Online-Medien.

Ihnen gehört die Beteiligungsfirma Media-Ventures. Zugleich halten Sie 30 Prozent an der von Ihrem Vater gegründeten Ströer Media AG, einem der größten Anbieter von Außen- und Onlinewerbung. Sind Sie Werber oder Unternehmer?

Ströer Unternehmer. Mit Media Ventures unterstützen wir aufstrebende Unternehmen mit Kapital und im Management. Bei Ströer bin ich Aufsichtsrat. Das Unternehmen verkauft Werbung, ist aber nicht für die Inhalte verantwortlich. Somit auch hier: Unternehmer.

Die bekannteste Form der Außenwerbung war 100 Jahre lang die Litfaßsäule. Was ist aus der geworden?

Ströer Es gibt sie nach wie vor. Sie wird aber zunehmend durch hinterleuchtete und modernere Säulen ersetzt. Wir investieren sehr viel in die Modernisierung unserer Werbeträger und tragen damit zu einer Aufwertung des Stadtbildes bei.

Große Werbeagenturen rufen gerade das Ende der Krise im Werbemarkt aus. Teilen Sie den Optimismus?

Ströer Ich habe auch die letzten Jahre nicht als Krise empfunden. Ich bin für dieses Jahr sehr optimistisch.

Hat sich die Werbewelt verändert?

Ströer Es gibt einen starken Trend von Print zu Online und innerhalb von Online zu mobilen Anwendungen etwa auf dem Smartphone. Insgesamt muss man festhalten, dass die Werbetreibenden einen günstigen Preis einem qualitativem Umfeld vorziehen. Das ist insbesondere für die Verlage schwierig.

Singen Sie gerade das Lied vom Untergang der Printmedien?

Ströer Nein, Print wird es immer geben. Die Frage ist, mit welchen Auflagen und mit welchen Titeln.

Wie reagieren Sie auf den Online-Boom?

Ströer: In Deutschland sind wir Marktführer. Das ist wichtig, um auf Augenhöhe mit den großen Agenturen verhandeln zu können. Es gibt in der Branche gerade eine starke Konzentration, gerade im Online-Bereich. Wir wollen den Markt in Deutschland konsolidieren. Derzeit gibt es bundesweit rund 100 Onlinevermarkter. In zwei oder drei Jahren werden davon allenfalls noch zwei oder drei Champions übrig sein. Wir werden als größter Portfolio-Vermarkter dabei sein.

Über Ihre Media-Ventures sind Sie an 16 Internetfirmen beteiligt - neuerdings bei dem Whats-App-Wettbewerber Hoccer. Brauchen wir mehr solcher Beteiligungsfirmen?

Ströer Ja, sicher. Deutschland und Europa haben zwar sehr viel Kapital, aber nur wenig mutiges Kapital. Darum wird zu wenig in Gründerfirmen investiert.

Ihr neues Lieblingskind Hoccer hat nur 15 Mitarbeiter, wurde aber von Ihnen mit 100 Millionen Euro bewertet. Größenwahn?

Ströer Bei jungen Internetunternehmen zählen künftige Chancen viel mehr als jetzige Geschäftszahlen. Und da sehe ich auf Dauer eine große Chance für einen deutschen Dienst für den Austausch von Kurznachrichten mit deutschen Datenschutzstandards.

Gibt es überhaupt eine sichere Kurznachricht?

Ströer Zumindest ist Hoccer sicherer als andere Anbieter, weil die Nachrichten bei uns nicht auf einem zentralen Server gespeichert werden, den Datendiebe anzapfen könnten. Da kann auch kein Geheimdienst kommen und sagen: Gebt uns mal alle Daten. Wir haben sie nicht.

Welche Botschaften würden Sie selbst niemals per SMS verschicken?

Ströer Geschäftsgeheimnisse. Zum Beispiel, wenn ich mit meinem Partner ein Angebot abgleiche, das wir abgeben wollen. Mit diesem Wissen könnte uns jeder Wettbewerber ausbooten.

Wie geht es weiter bei Hoccer?

Ströer Wir werden eine spannende Werbekampagne für das neue Angebot machen. Und wenn wir dann deutlich erhöhte Nutzerzahlen haben, suchen wir weitere Partner für Wachstum im Ausland.

Sie haben schon knapp 20 Firmen verkauft. Bauen Sie Unternehmen nur auf, um sie dann mit Gewinn wieder abzugeben?

Ströer Ich bin eher Sammler und Jäger. Aber es gibt viele Fälle, in denen die Unternehmen in einem anderen Zusammenhang besser wachsen können. Das Partnersuche-Portal Neu.de habe ich beispielsweise 2007 an einen französischen Wettbewerber abgegeben, weil der mit der gleichen Technik in ganz Europa Partnerschaftsportale aufgebaut hatte - da konnten wir nicht mithalten.

Auch das Reiseportal Weg.de hat Ihr Reich verlassen.

Ströer Ja, bei Pro7 gehört es nun zu einem ganzen Portfolio von Reiseunternehmen. Außerdem kann Pro7 mit TV-Werbung das Unternehmen gut weiterentwickeln. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber langfristig für das Unternehmen die Richtige.

Gibt es in Deutschland zu wenig Unternehmer, weil wir zu viel Angst vor dem Scheitern haben?

Ströer Wir können von der amerikanischen Einstellung lernen: Es ist besser, etwas zu wagen und dabei möglicherweise zu scheitern als nie etwas Neues zu machen. In dem Sinne sollten junge Leute, die mit einer Geschäftsidee keinen Erfolg hatten, trotzdem eine neue Chance erhalten - insbesondere wenn sie aus dem ersten Versuch lernen.

DAS INTERVIEW FÜHRTEN REINHARD KOWALEWSKY UND THOMAS REISENER

(RP)
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