Athen Gewerkschaften machen gegen Tsipras mobil

Athen · Staatsdiener sollen nach Leistung bezahlt und das Streikrecht eingeschränkt werden.

Alexis Tsipras will sein Land aus der Vormundschaft der internationalen Kreditgeber befreien. Im September 2018 soll Griechenland auf eigenen Beinen stehen und sich wieder am Kapitalmarkt refinanzieren - nach über acht Jahren am Tropf der Hilfskredite. Aber dazu muss der Ministerpräsident umstrittene Reformen umsetzen, und zwar im Eiltempo.

Glaubt man Tsipras, hat das Krisenland die Talsohle endgültig durchschritten. Um 0,5 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Vierteljahr zu. So ein Wachstum habe die Wirtschaft "seit mehr als einem Jahrzehnt nicht gesehen", freut sich Tsipras. Er versucht, den Rückenwind zu nutzen: Heute eröffnet er eine neue Autobahn, morgen will er mit seinem bulgarischen Kollegen einen Vertrag über den Bau einer Eisenbahnlinie von der Ägäis zum Schwarzen Meer unterzeichnen. Übermorgen empfängt er Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, am Wochenende wird Tsipras in Thessaloniki erwartet, wo er zur Eröffnung der Internationalen Handelsmesse eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede halten will.

Doch dann wird es schwierig. Am 11. September werden Vertreter der Gläubigerinstitutionen (EU-Kommission, Europäische Zentralbank, Euro-Rettungsfonds, Internationaler Währungsfonds) wieder in Athen erwartet. Sie bereiten die dritte Prüfung vor. Nicht weniger als 113 Reform- und Sparvorgaben muss Athen erfüllen, damit das Land 2018 aus dem Hilfsprogramm entlassen werden kann. Tsipras verspricht Tempo: 90 Auflagen will die Regierung bis Jahresende umgesetzt haben - ein ambitionierter Zeitplan. Und die Agenda hat es in sich.

Vieles davon geht dem Tsipras' Linksbündnis Syriza ideologisch völlig gegen den Strich. So sollen sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst künftig regelmäßigen Bewertungen unterziehen. Das stößt auf heftigen Widerstand vieler Staatsdiener, die es bisher gewohnt waren, völlig unabhängig von Qualifikation und Leistung befördert zu werden. Als Oppositionschef bekämpfte Tsipras die seit Jahren diskutierten Bewertungen, als Premier muss er sie jetzt umsetzen, gegen den Widerstand der Gewerkschaften und vieler eigener Wähler - der öffentliche Dienst ist eine Kern-Klientel des Linksbündnisses.

Zu Auseinandersetzungen werden auch die Änderungen im Streikrecht führen: Konnten bisher die Gewerkschaftsvorstände im Alleingang über die Ausrufung von Arbeitskämpfen entscheiden, sollen jetzt Urabstimmungen eingeführt werden. Die Gewerkschaften planen bereits landesweite Streiks dagegen. Ein heißes Eisen bleibt auch das Thema Privatisierungen. In der Vergangenheit hat die Regierung unter dem Druck der Geldgeber Privatisierungen widerwillig beschlossen, ihre Umsetzung aber oft verschleppt. Kein Wunder, dass die Einnahmen aus den Privatisierungen spärlich fließen. Für die ersten sieben Monate waren Erlöse von 1,3 Milliarden Euro angesetzt, aber nur 968 Millionen kamen in die Kasse.

Doch selbst wenn Tsipras jetzt bei den Reformen Gas gibt, ist keineswegs gesichert, dass Griechenland 2018 die Rückkehr an den Kapitalmarkt glückt. Vor allem die hohe Schuldenquote von fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verunsichert die Anleger. Im Brüssel gibt es deshalb Gedankenspiele, dem Land nach dem Auslaufen des gegenwärtigen Hilfsprogramms mit einer Kreditlinie beizustehen. Das könnte das Vertrauen der Anleger stärken und die Renditen der Griechenland-Bonds drücken. Geld dafür gibt es: Von den bis zu 86 Milliarden Euro, die im dritten Rettungspaket bereitstehen, wurden bisher erst 39,4 Milliarden abgerufen.

(RP)
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