Die deutsche Wirtschaft brummt Griechenland bleibt ein Konjunktur-Risiko

Berlin · Athen müsse selbst Spielraum für Ausgabenwünsche schaffen, sagt Vizekanzler Gabriel. Die deutsche Wirtschaft brummt vorerst.

Zwischen Kanzlerin und Vizekanzler passt in der Griechenland-Politik offenbar kein Blatt Papier. Diesen Eindruck zu hinterlassen, bemühte sich gestern der SPD-Vorsitzende. Die EU-Mitgliedsstaaten hätten Griechenland Kredite über 278 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, verbürgt von den EU-Steuerzahlern, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Berlin. "Die Menschen, die das erarbeitet haben, haben einen Anspruch darauf, dass Griechenland Verabredungen einhält", betonte Gabriel bei der Vorstellung des neuen Jahreswirtschaftsberichts. Griechenland müsse sich fair gegenüber denen verhalten, die dem Land solidarisch zur Seite stünden.

Athens neuer Ministerpräsident Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses Syriza, kann also vorerst nicht auf Unterstützung durch den sozialdemokratischen Teil der Berliner Koalition hoffen. Das ist für die anstehenden harten Verhandlungen mit Athen wichtig. Die Eurogruppe der Finanzminister verlangt von Tsipras, Verabredungen einzuhalten, die die Vorgängerregierung eingegangen ist. Dazu gehören Reformen etwa am Arbeitsmarkt und im Staatsapparat. Sollte der neue Regierungschef wie angekündigt aufkündigen, könnte die Euro-Gruppe Ende Februar den Geldhahn zudrehen. Tsipras setzt aber darauf, dass die Euro-Staaten dazu nicht die Nerven haben.

Nach nur drei Tagen im Amt machte der 40-jährige Ministerpräsident gestern Ernst: Die Regierung stoppte den Verkauf der Häfen von Piräus und Thessaloniki und kündigte an, Entlassungen von Staatsbeamten rückgängig zu machen, ließ aber offen, wie viele wieder eingestellt werden. Allein 2014 waren 9500 entlassen worden. Nach einer Kabinettssitzung in Athen sagte Tsipras, seine Regierung sei bereit, ihr "Blut zu geben", um die "Würde der Griechen" wiederherzustellen.

Gabriel zeigte sich davon gestern unbeeindruckt. Wenn die neue Regierung mehr Geld für Beamte ausgeben wolle oder durch den Privatisierungsstopp weniger einnehme, müsse sie die finanziellen Spielräume dafür selbst schaffen, betonte er. Tsipras könne die Kosten für solche Vorhaben nicht einfach ins EU-Ausland exportieren.

Einen Schuldenschnitt, wie ihn Tsipras fordert, lehnte der SPD-Vorsitzende ab. "Ich kann mir keinen Schuldenschnitt vorstellen." Die EU wolle kein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, es sei aber an Athen, diese Entwicklung zu verhindern. Die Euro-Zone könne einen Austritt heute anders als 2012 verkraften, die Ansteckungsgefahr sei geringer. "Aber wir haben nicht 278 Milliarden Euro bezahlt, damit Griechenland aus dem Euro herausfällt. Das hätten wir auch billiger haben können", sagte Gabriel.

Euro-Krise, Griechenland-Problematik und Ukraine-Konflikt seien für die deutsche Konjunktur im laufenden Jahr die größten Risiken. Allerdings gibt sich die Regierung im Jahreswirtschaftsbericht verhalten optimistisch. Sie erwartet 1,5 Prozent Wachstum 2015. Angetrieben werde die Konjunktur vom niedrigen Ölpreis, dem geringen Euro-Außenwert und dem hohen Beschäftigungsstand. Die ohnehin hohe Erwerbstätigenzahl werde 2015 um weitere 170 000 auf jahresdurchschnittlich 42,8 Millionen steigen. Die Zahl der Arbeitslosen soll um 40 000 abnehmen und verharrt damit bei etwa 2,9 Millionen. Impulsgeber bleibe 2015 der private Konsum. Wegen des Mindestlohns und höherer Tariflöhne sollen die Nettolöhne um 2,6 Prozent steigen.

Zuversichtlich zeigte sich auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das für das letzte Quartal 2014 wie das erste Quartal des neuen Jahres mit Zuwächsen von jeweils 0,2 Prozent rechnete.

Die Regierung wolle die öffentlichen Investitionen aufstocken, um das Wachstum zu stabilisieren, sagte Gabriel. Die Verkehrsinvestitionen seien bereits um fünf Milliarden Euro für diese Legislaturperiode erhöht worden. Zusätzlich gehe es um weitere zehn Milliarden Euro in den Jahren 2016 bis 2018. Derzeit werde beraten, wohin dieses Geld fließen solle. Er sei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zudem dankbar dafür, die Investitionen in EU-Projekte um weitere acht Milliarden Euro erhöhen zu wollen.

(mar)
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