Analyse Was passiert, wenn Griechenland aus der Euro-Zone austritt?

Düsseldorf · Die Vertreter der Eurogruppe haben beschlossen, das Rettungsprogramm für Griechenland nicht mehr weiter zu verlängern. Am 1. Juli droht dem Land die Zahlungsunfähigkeit. Kommt es nun zum "Grexit", dem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion? Die ökonomischen Folgen wären zumindest kurzfristig verheerend.

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise
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Foto: dapd, Michael Gottschalk

Das Wort Grexit ist schnell erklärt. Es setzt sich zusammen aus zwei Begriffen: "Greece" (so heißt Griechenland im Englischen) und "exit", dem englischen Wort für Auszug. Gemeint ist der Austritt Griechenlands aus der europäischen Währungsunion. Ob und wie der theoretisch funktioniert, ist die eine Frage. Die andere ist die nach den ökonomischen Konsequenzen eines solchen Ausscheidens aus dem gemeinsamen Währungsgebiet, und die wären für Athen kurzfristig verheerend.

Wie könnte Athen austreten?

Die griechische Regierung müsste öffentlich erklären, dass das Land aus der Euro-Zone ausscheiden will. Dann müssten alle Mitgliedsstaaten der Währungsunion sich einstimmig für den "Grexit" aussprechen.

Der Haken: Ein solches Ausscheiden ist in den Lissabon-Verträgen nicht vorgesehen. Die Euro-Mitgliedschaft gilt danach als "unwiderruflich". Für ein Ausscheiden müsste das Vertragswerk geändert werden. Natürlich könnte Griechenland seinen Austritt aus der Europäischen Union erklären, weil damit die Euro-Mitgliedschaft automatisch erlöschen würde. Aber das würde nicht nur einen Stopp aller Euro-Rettungshilfen bedeuten, sondern auch der Subventionen aus anderen Brüsseler Töpfen. Ein Rauswurf Griechenlands ist andererseits auch nicht möglich. Aber: "Wenn sich alle einig wären, würden sie einen Weg finden", glaubt Nordea-Chefvolkswirt Holger Sandte.

Was müsste Griechenland tun?

Athen bräuchte eine eigene Währung und würde wohl zur Drachme zurückkehren - formal kein Problem, aber für die Notenbank ein logistisches Problem, da sie neue Drachme-Scheine drucken müsste. Das kostet Zeit. Also müssten die Euro-Länder den Griechen zumindest vorübergehend noch den Euro als Zahlungsmittel lassen, damit das Leben reibungslos weitergehen kann.

Wäre eine Rückkehr möglich?

Natürlich. Griechenland müsste sich irgendwann wieder um die Aufnahme in die Währungsunion bewerben und würde wie die anderen Neulinge der vergangenen Jahre das Prüfverfahren durchlaufen. Dann würden die Mitgliedsländer über die Rückkehr abstimmen. Aber: Dass Griechenland sozusagen im Alleingang die Bedingungen besser erfüllen könnte als im Euro-Verbund, erscheint extrem unwahrscheinlich.

Was wären die Folgen des "Grexit"?

Befürworter argumentieren gern damit, dass man die neue Drachme extrem abwerten und dies die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Exportunternehmen stark verbessern könnte. Dies ist aber nur die eine Seite. Die Abwertung hilft nämlich nur, wenn Griechenlands Gläubiger gleichzeitig auf einen großen Teil ihrer Forderungen verzichten würden. Denn durch die Abwertung der Drachme steigen die in Euro aufgenommenen Kredite Griechenlands gewaltig. Um die zurückzuzahlen, würden die bisher erzielten wirtschaftlichen Fortschritte nach fünf Jahren Rezession nicht ausreichen. Wer nur mit besseren Exportaussichten argumentiert, behandelt nur einen Teil des Problems.

Was passiert mit dem Aufschwung?

Der wäre vermutlich dahin - trotz Exportvorteilen und trotz der Tatsache, dass Urlaub in Griechenland finanziell wieder attraktiver würde, weil man für Ferien im Drachme-Land weniger Euro bräuchte als vorher. Das Problem: Wenn das Ganze nicht ohne Schuldenerlass ginge, wären auch Griechenlands Banken wieder getroffen. Zwar liegt ein Großteil der Forderungen nicht mehr bei Geldhäusern, aber außen vor sind die nicht. Würden Sie auf Geld verzichten, müssten sie dies abschreiben. Ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe wäre eingeschränkt. Darauf wäre die Industrie aber dringend angewiesen, weil sie für Energie, andere Rohstoffe und Vorprodukte, die sie aus dem Ausland bezieht, weit mehr bezahlen müsste als zu Euro-Zeiten. Auch für den Verbraucher direkt würden sich Importgüter verteuern. Die Firmen müssten Stellen abbauen. Griechenland würde eine neue Armut erleben.

Was heißt das für die Euro-Zone?

Unabhängig davon, ob Europa den "Grexit" für machbar hält - die Ansteckungsgefahren wären nur schwer absehbar. Womöglich würden Investoren die Staatsanleihen von Krisenländern nicht mehr kaufen. Deren Refinanzierung wäre in Gefahr. Es wären neue Hilfen fällig -oder weitere Austritte. Die Euro-Zone würde immer brüchiger.

(RP)
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