Griechenland Varoufakis: Liquiditätslage ist "ein schrecklich dringendes Problem"

Athen · Die Zeit wird knapp: Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland hat nach Angaben von Finanzminister Giannis Varoufakis nur noch "ein paar Wochen", bevor ihm die Finanzmittel ausgehen.

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise
Infos

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise

Infos
Foto: dapd, Michael Gottschalk

Die Liquiditätslage Athens sei "ein schrecklich dringendes Problem", sagte Varoufakis am Montagabend nach einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Griechenland versuche, mit den internationalen Geldgebern einen "gemeinsamen Nenner" zu finden. Dies sei "nicht einfach", in den letzten Wochen habe es aber eine "beträchtliche Annäherung" gegeben.

Derweil streben die Europartner innerhalb der kommenden drei Wochen einen Kompromiss mit dem pleitebedrohten Griechenland über ein Reformpaket an. Das wurde am Montag beim Euro-Finanzministertreffen in Brüssel deutlich. Offiziell äußerte sich Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nicht zu konkreten Fristen. "Wir brauchen diese Abmachung so schnell wie möglich, bevor Dinge schieflaufen." Der Chef des Eurorettungsschirms ESM, Klaus Regling, ergänzte: "Es ist nicht mehr viel Zeit übrig."

Griechenland sorgte bei dem Treffen für Erleichterung, denn es überwies die am Dienstag fällige Schuldenrate von gut 756 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Der griechische Ressortchef Gianis Varoufakis habe versichert, dass der Krisenstaat zu seinen internationalen Schuldenverpflichtungen stehe, so Dijsselbloem.

Die Eurogruppe hat bis zum Auslaufen des Hilfsprogramm Ende Juni Zeit zu einer Einigung. Da die Kassen in Athen leer sind und eine Abmachung noch in mehreren nationalen Parlamenten wie dem Deutschen Bundestag gebilligt werden muss, solle der Deal bis Anfang Juni stehen, so Diplomaten.

"Wir machen Fortschritte"

In einer Erklärung begrüßten die Ressortchefs Fortschritte in den Expertenverhandlungen über das Reformpaket. Es ist Voraussetzung für das Auszahlen dringend benötigter Hilfen von 7,2 Milliarden Euro. "Wir machen schnelleren Fortschritt", resümierte Dijsselbloem.

Laut EU-Währungskommissar Pierre Moscovici gibt es aber noch deutliche Meinungsunterschiede bei den geforderten Renten- und Arbeitsmarktreformen. Annäherung gab es hingegen bei der Mehrwertsteuerreform und der Schaffung einer unabhängigen Behörde für die Steuereinnahmen.

Es gibt die Sorge, dass Griechenland bald das Geld ausgehen könnte und das Land in die Zahlungsunfähigkeit rutscht - mit unabsehbaren Folgen. Die bisherigen Hilfen für Griechenland belaufen sich auf 240 Milliarden Euro. Hoffnungen der Griechen, wonach die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn für Athen etwas mehr aufdrehen könnte, dürften nicht so schnell erfüllt werden, so Diplomaten. Griechenland fordert von der Notenbank, den Rahmen für die Ausgabe kurzlaufender Geldmarktpapiere (T-Bills) zu erweitern. Die Voraussetzungen seien dafür nicht gegeben, hieß es.

Die Links-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras schließt eine Volksabstimmung nicht aus, falls sie keine eigene Mehrheit für ein nötiges Gesetz über mögliche Steueränderungen zustande bekommt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält ein Referendum für sinnvoll: "Das wäre vielleicht sogar eine richtige Maßnahme, das griechische Volk entscheiden zu lassen, ob es das, was notwendig ist, bereit ist zu akzeptieren oder ob es das andere möchte." Er äußerte sich nicht im Detail dazu, um was es genau bei der Volksbefragung gehen könnte.

Fragen und Antworten:

Die Regierung des linken Premiers Alexis Tsipras ist seit dreieinhalb Monaten im Amt. Warum dauern die Verhandlungen mit den Geldgebern so lange?

Wochenlang wurde gesprochen - ohne fassbare Ergebnisse. Als Tsipras nach dem misslungenen Treffen in Riga den Chefunterhändler austauschte, kam neuer Schwung in die Gespräche. Athen ist inzwischen auch zu harten Sparmaßnahmen bereit.

Die die Kassen sind leer. Wie lange hält Tsipras finanziell noch durch?

Konkrete Terminansagen fehlen. Der für den Euro verantwortliche EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis warnt aber in deutlichen Worten vor einer "komplizierten Liquiditätslage" in Athen. Deshalb müsse so rasch wie möglich ein Kompromiss zum Reformpaket gefunden werden. Diplomaten sagen, spätestens Anfang Juni müsse eine Lösung da sein. Mehrere nationale Parlamente müssen eine Abmachung billigen, unter anderem in Deutschland. Das braucht Zeit.

Gibt es eine Frist, die eingehalten werden muss?

Ja. Ende Juni läuft das schon zwei Mal verlängerte Hilfsprogramm der Geldgeber aus. In dem Plan stehen noch 7,2 Milliarden Euro zu Verfügung. "Jede Woche, in der die Verhandlungen fortgesetzt werden, fehlt für das Umsetzen (von Reformen) und für Auszahlungen", resümiert Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Welche Zahlungen stehen an?

An diesem Dienstag (12. Mai) wird eine Schuldenrate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von gut 756 Millionen Euro fällig, die Griechenland bereits zugesichert hat. Am 15. Mai muss der Krisenstaat dann kurzfristige Schuldtitel von mehr als 1,4 Milliarden Euro refinanzieren.

Wo gibt es Annäherungen?

Eine umstrittene Immobiliensteuer soll bleiben. Allein von dieser Steuer, die eigentlich zurückgenommen werden sollte, erhofft sich die Regierung im laufenden Jahr mehr als 2,5 Milliarden Euro Einnahmen.
Zudem sollen Großverdiener härter besteuert werden.

Im Visier ist auch der Tourismus: Im Gespräch ist, auf 22 der wichtigsten Ägäis-Inseln eine bis zu fünf Euro hohe Sondersteuer je Übernachtung zu erheben. Erwogen wird zudem eine Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer mit einem Höchstsatz zwischen 15 bis 18 Prozent.

Und bei den Renten?

Tsipras soll bereit sein, auf die im Wahlkampf versprochene 13. Zahlung für niedrige Renten zu verzichten sowie über das bisherige Tabu-Thema Rentenreform zu verhandeln. Unter anderem könnte die Regierung das Rentenalter erhöhen und einige Renten kürzen.

Ist die Schuldenlast in Griechenland überhaupt tragbar?

Daran gibt es große Zweifel. Die EU-Kommission erwartet für das laufende Jahr ein Rekord-Schuldenstand von 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das sind 10 Punkte mehr als vorher erwartet.
Erlaubt sind eigentlich nur 60 Prozent.

Ist das Thema Schulden unter den Geldgebern umstritten?

Offiziell wird das nicht bestätigt. Aber es ist klar, dass der IWF wegen seiner Regeln bei der sogenannten Schuldentragfähigkeit einen harten Kurs fährt. Es geht darum, ob ein Land seine Schulden zurückzahlen kann. Beim zweiten Hilfspaket war vereinbart worden, dass die Schuldenquote bis 2022 auf unter 110 Prozent sinken soll.
Das scheint heute nicht mehr erreichbar.

Ist von einem dritten Hilfsprogramm die Rede?

"So wie ich die Lage einschätze, wird man ein drittes Programm ins Auge fassen müssen", meint der österreichische Ressortchef Hans Jörg Schelling. Harte Debatten dazu sind im Sommer zu erwarten. Es war darüber spekuliert worden, dass etwa 30 bis 50 Milliarden Euro für ein drittes Programm in die Hand genommen werden müssten.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort