Athen/Brüssel Griechenland und seine Freunde

Athen/Brüssel · Finanzminister Schäuble hat die Diskussion um einen Euro-Austritt Athens neu befeuert. Den will aber eigentlich niemand - schon gar nicht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Aber auch der nennt die Lage "ernst".

Der "Grexit", also der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone, ist alle Nase lang ein großes Thema. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Diskussion neu entfacht. "Da ja die Verantwortung, die Möglichkeit, zu entscheiden was passiert, nur bei Griechenland liegt, und da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir es nicht ausschließen", hat Schäuble in Wien gesagt. Dieses "Es" wäre der "Grexit", und damit hat Schäuble den Koalitionspartner auf den Plan gerufen. "Als Finanzminister hat man gegenüber den Finanzmärkten eine ganz besondere Funktion. Es ist immer besser, man sagt wenig oder gar nichts, als weiter zur Eskalation der Lage beizutragen", sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. "Schweigen wäre für Schäuble jetzt besser. Er sollte mit seinem griechischen Amtskollegen nur noch persönlich reden, nicht über die Medien", mahnte Schneider in Athen.

Eigentlich wollen sowohl die EU-Geldgeber als auch die griechische Regierung - zumindest offiziell - ein Euro-Aus verhindern. Dass es dennoch dazu kommen könnte, liegt an wegbrechenden Steuereinnahmen, die der Regierung "ein ernstes Liquiditätsproblem" beschert haben, wie ein Athener Diplomat sagte. Zudem fließt täglich viel Geld von griechischen Konten ins Ausland, was das Bankensystem schwächt. Eine Zahlungsunfähigkeit, welcher die Rückkehr zur Drachme folgen könnte, kann freilich nur in Kenntnis der genauen Finanzlage verhindert werden.

Das Ausmaß der Probleme bleibt den griechischen Euro-Partnern jedoch weiter unklar. Die Finanzexperten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds sind erst seit Donnerstag vor Ort, erhalten dort aber keinen direkten Zugang zu den Ministerien mehr, da die griechische Seite diese bisherige Praxis der sogenannten Troika als demütigend empfindet. "Der Gesprächsauftakt in Athen war grausig", berichtete ein Brüsseler Diplomat. "Es läuft richtig schlecht", sagte er weiter, "die Graccident-Gefahr steigt täglich." Allerdings könne Premierminister Alexis Tsipras sie auch täglich beenden", indem er ernsthaft mit den Finanzinstitutionen zusammenarbeite: "Wenn er glaubwürdig kooperiert, kann die EZB mit Notkrediten noch etwas machen - sonst nicht."

Bei einem Besuch in Brüssel sagte Tsipras gestern, man "suche den besten Weg, um die Vereinbarung mit der Eurogruppe vom 20. Februar umzusetzen". Zugleich betonte er jedoch, dass es "kein griechisches, sondern ein europäisches Problem" gebe. Nach einem Gespräch mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte dessen Sprecher, beide seien "sich darin einig gewesen, dass die Lage ernst ist". Juncker hatte vor dem Treffen gesagt, er sei "unzufrieden mit den jüngsten Entwicklungen", wolle bei der Lösungsfindung "hilfreich" sein und schließe "ein Scheitern völlig aus". Er ergänzte aber, dass "die Kommission hier nicht der entscheidende Spieler ist. Alle diesbezüglich zu treffenden Entscheidungen werden in der Eurogruppe getroffen".

Der Brüssel-Besuch von Griechenlands Regierungschef löst erneute Kritik aus. "Tsipras und Varoufakis reisen zu viel und sitzen zu wenig am Schreibtisch. Sie müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen. Wir brauchen einen Kassensturz und belastbare Daten über die wahre Haushaltslage. Der Primärüberschuss im Etat ist wahrscheinlich verschwunden", sagte SPD-Haushaltsexperte Schneider. Bis 20. März muss Griechenland in zwei Raten 842 Millionen Euro an den IWF zahlen. Um diese und weitere Verpflichtungen zu erfüllen und eine Pleite abzuwenden, sollen die Kassen von Sozialversicherungen und anderer staatlicher Unternehmen und Behörden angezapft werden. Das löst neue Empörung aus. "Die Griechen haben sich verpflichtet, keine unabgestimmten Aktionen mehr zu unternehmen. Der Griff in die Sozialversicherungen ist nicht abgesprochen", sagte SPD-Haushaltsexperte Schneider. In griechischen Expertenkreisen hieß es, das geplante Sozialprogramm von Tsipras, das unter anderem Lebensmittelmarken für 300 000 Bedürftige enthält, koste in Wahrheit 800 Millionen Euro, nicht 200 Millionen, wie von der Regierung angegeben.

(RP)
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