Düsseldorf Handel deckt sich für Schlussverkauf ein

Düsseldorf · Gestern hat die ultimative Rabattrunde für den Sommer begonnen. Der Handel will die Lager räumen.

Früher war alles anders. Wenn Schlussverkauf im Einzelhandel war, standen die Menschen morgens schon vor dem Aufschließend der Läden Schlange an den Türen, nach deren Öffnung sie mit Macht rein drängten und sich um die Plätze an den Grabbeltischen fast balgten. Nie hatte das Wort Rabattschlacht mehr Berechtigung als zu solchen Zeiten. Seit gestern ist wieder Schlussverkauf, aber es gibt kaum noch Schlangen, keine Positionskämpfe mehr, die Schlacht ist vielfach schon früher geschlagen, weil der Handel seine Kunden das ganze Jahr über mit Rabattaktionen beglückt. Brauchen wir den Schlussverkauf überhaupt noch?

Klar, sagt die Branche. "Der Sommerschlussverkauf ist sehr wichtig. Der Handel muss die Lager räumen, damit Platz geschaffen wird für die Herbstware", sagt ein Sprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Über Jahrzehnte hätten sich die Kunden den letzten Montag im Juli als Start für die ultimative Rabattaktion der Sommersaison gemerkt. Sozusagen ein handelstechnisches Sommerschlussritual. An dem nehmen in diesem Jahr sogar mehr Händler teil als 2014. Seinerzeit waren es nur 44 Prozent der Handelsunternehmen, in diesem Jahr sind es schon 60. Diese Zahl hat die Beratungsgesellschaft Ernst & Young ermittelt.

Wer sich den Starttermin der bis 2004 noch gesetzlich reglementierten Verkaufsaktion einst noch über Jahrzehnte gemerkt hat, kann allein aus biologischen Gründen nicht zu den Jüngeren im Lande gehören. ist Schlussverkauf also nur was für alte Leute? "Nein", sagt der HDE-Sprecher, "der Termin ist über Generationen hinweg weitergegeben worden, da kommen ganze Familien." Trotz ganzjähriger Rabattaktionen, trotz Online-Handel, den viele Präsenzhändler als zweites Standbein pflegen. Entsprechend findet der Schlussverkauf auch im Netz statt - auch hier mit Preisnachlässen bis zu 70 Prozent.

Dennoch gilt nach Einschätzung mancher Handelsexperten: Immer mehr Verbraucher kaufen dann ein, wenn sie die Kleidung haben wollen oder brauchen, und nicht zu den traditionellen Schnäppchenwochen. Im Internet gibt es genug billige Ware übers Jahr, auch Kunden mit kleinerem Portemonnaie sind nicht mehr auf die Großrabatte im Juli/August angewiesen. "Gut organisierte Unternehmen räumen permanent ihre Lager von schlecht laufender Ware", sagt Bettina Grüninger, Dozentin an der Akademie für Modemanagement in Nagold (Baden-Württemberg).

Die Zwei-Wochen-Preisrunde (bis 9. August) ist so eher beispielsweise für kleinere Inhaber die Gelegenheit, die Werbetrommel zu rühren und den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein, glaubt, dass die Händler sich für den Schlussverkauf sogar zusätzlich eindecken: "Bei den Kunden haben sich die Schlussverkaufstermine fest verankert mit der Erwartung, dann auch ein echtes Schnäppchen machen zu können. Diese Kundenerwartung wird vielfach von den Händlern dahingehend ausgenutzt, dass sie nicht mehr nur Restposten, sondern extra dafür zugekaufte Posten als Schlussverkaufsware deklarieren und anbieten."

(RP)
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