Trauer um Mr. Haribo Hans Riegel ist tot

Bonn · Der Bonner machte aus dem Familienbetrieb einen Weltkonzern mit 6000 Mitarbeitern. 67 Jahre lang leitete Hans Riegel das Süßwaren-Unternehmen. Sein Führungsstil war patriarchalisch, sein Leben schillernd.

"Haribo macht Kinder froh", hat der Süßwarenhersteller Jahrzehnte geworben. Die Fortsetzung "Und Erwachsene ebenso" kennt fast jeder Deutsche. Mit Haribo-Chef Hans Riegel ist gestern einer der letzten Firmenpatriarchen der Wirtschaftswunderzeit gestorben. Riegel, der an Herzversagen starb, wurde 90 Jahre alt. Noch bis zum Sommer war er regelmäßig im Büro.

Hubschrauberpilot, leidenschaftlicher Jäger in Österreich und Afrika, als junger Mann Leistungssportler und Partykönig auf dem eigenen Ausflugsdampfer MS Haribo — Riegel war eine schillernde Persönlichkeit und ein Marketing-Genie. Als "Mister Gummibärchen" machte er das Fruchtgummi, dessen Geheimrezept er mit Bruder Paul 1946 vom Vater Johann übernommen hatte, zu einem Schlager in den Süßigkeiten-Regalen der Supermärkte.

Nicht zuletzt TV-Star Thomas Gottschalk sorgte dafür, dass die Goldbären populär blieben. Seit Anfang der 90er Jahre macht er Werbung für die Gummibärchen. "Hans Riegel war einer der letzten großen Unternehmer, der seine Firma mit Bauchgefühl und nicht mit Marktforschung zum Erfolg führte", sagte Gottschalk gestern. "Wir waren in einer 23-jährigen Erfolgsgeschichte miteinander verbunden. Mal war er lustig, mal war er streng, aber es war eher eine familiäre als eine geschäftliche Beziehung."

Über seine geschäftlichen Erfolge redete der eingefleischte Junggeselle Riegel ohnehin nie gern. Der Jahresumsatz des Unternehmens liegt laut Branchenkreisen bei zwei Milliarden Euro. Riegel hinterlässt einen Konzern mit 15 Standorten in Europa und 6000 Mitarbeitern sowie ein Familienvermögen von geschätzt 2,75 Milliarden Euro. Seit 2010 sind seine Neffen Hans Arndt Riegel und Hans Guido Riegel mit im Unternehmen, die die Tradition weiterführen. Riegels hälftiger Anteil geht in eine Privatstiftung, die für den Fortbestand des Konzerns wirken soll. Sie ist im steuerlich attraktiven Österreich angesiedelt, wo Riegel ein Landgut mit Jagd in der Steiermark hatte. Seit 1991 besaß er einen österreichischen Pass.

Dieser Aufstieg von Unternehmen und Unternehmer war nicht abzusehen. 1920 hatte sein Vater, der Bonbonkocher Hans Riegel senior, die Firma in einer Waschküche in Bonn-Kessenich gegründet. Sein Startkapital soll aus kaum mehr als einem Zuckersack bestanden haben. Am 13. Dezember 1920 lässt er Haribo (als Abkürzung für Hans Riegel Bonn) ins Handelsregister eintragen. Seine Frau Gertrud wird die erste Mitarbeiterin. 1946 übernahmen die Söhne Paul und eben der am 10. März 1923 geborene Hans den Betrieb.

Der promovierte Volkswirt Hans war der Kreative in der Doppelspitze. Aus Zucker, Gelatine, Aroma und Farbstoffen ließ er immer neue Leckereien produzieren. Bis nach Grönland oder auf die Falkland-Inseln werden Goldbärchen, Lakritz-Schnecken oder Maoam-Kaubonbons geliefert.

Seit Jahrzehnten stand sein Chefsessel am Stammsitz in der Hans-Riegel-Str. 1 in Bonn-Kessenich, direkt am Dampf und Geruch aus der Produktion im alten Backsteinbau. Ganz nah an den Produkten wollte er auch sein, wenn er direkt vom Band probierte: Was Riegel nicht schmeckte, flog raus. Überhaupt schildern ihn frühere Mitarbeiter nicht als Freund langer Debatten, sondern ein Firmenherrscher alten Stils, der aus seinem Büro mit den riesigen Fenstern alles im Blick behielt. Es passt ins Bild, dass der erste Haribo-Betriebsrat Ende der 90er Jahre nach Schichtende in der Tiefgarage tagen musste, wie man sich erzählt.

Mit Riegel verliere die Unternehmerlandschaft einen bedeutenden Gestalter, sagte NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Er habe aus dem väterlichen Kleinbetrieb einen erfolgreichen Konzern gemacht. Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der auch aus Bonn stammt, sagte, Riegel habe Haribo zu einer deutschen Weltmarke gemacht: "Wo immer ich in den letzten Jahren auf Reisen war: Die Goldbären waren längst da."

(RP)
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