Reformpläne der Bundesagentur "Hartz IV wird sicher ungerechter werden"

Die Bundesagentur für Arbeit will Bürokratie abbauen und Hartz IV vereinfachen. Das hat unmittelbare Folgen für den Einzelnen. Einige Regeln bei Miethilfen und Sanktionen sollen verschärft werden. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von "menschenfernen" Änderungen.

Vorurteile über Hartz-IV-Empfänger
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Foto: dpa, Hendrik Schmidt

Schon seit dem vergangenen Jahr tagt eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen. Auch Mitarbeiter der Bundesagentur (BA) sind an den Sitzungen beteiligt. Erklärtes Ziel: Bürokratie abbauen, das System entschlacken, Hartz IV vereinfachen. So sollen die Berater in den Jobzentralen wieder mehr Zeit für den Einzelnen zur Verfügung haben.

Vize-Chef Heinrich Alt lässt an der Entschlossenheit der BA keinen Zweifel. Die bisher verfolgte Einzelfall-Gerechtigkeit mache die Hartz-Regelungen zu bürokratisch, sagte Alt der "Bild". "Wir neigen in Deutschland dazu, jedem Einzelfall gerecht werden zu wollen".

Gerichtsentscheidungen zu kuriosen Hartz-IV-Klagen
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Foto: dapd, dapd

Verfahren auf dem Prüfstand

Ziel müsse es sein, das Leistungsrecht zu vereinfachen, um mehr Zeit dafür zu haben, die Menschen in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen. "Wenn wir es einfacher machen wollen, wird es sicher auch wieder etwas ungerechter werden. Aber wenn wir nicht bereit sind zu etwas mehr Ungleichheit, wird das System so komplex bleiben", sagte Alt.

Um Hartz IV einfacher machen zu können, kommen auch mehrere Verfahren auf den Prüfstand. Beschlossen ist noch nichts. Noch nicht einmal ein Gesetzentwurf steht, lediglich Vorschläge werden in der Expertenrunde diskutiert. Laut Handelsblatt wird über die in einem 63-seitigen Dossier gebündelten Vorschläge im November 2014 entschieden.

Ab Januar 2015 könnte dann aus Ideen geltendes Recht werden. "Zur Zeit gibt es noch keine Festlegungen", heißt es aus dem Ministerium für Arbeit. Und: "Es ist explizit nicht Ziel der Änderungen, den Leistungsbezug restriktiver (härter) zu gestalten."

13 Fakten zu Hartz IV
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Foto: dpa, Oliver Berg

Nicht Ziel, aber womöglich Nebeneffekt, wie die Worte Alts nahelegen. In einzelnen Fällen könnte es für Bezieher schwieriger werden, in manchen aber auch leichter.

Miete: Bei einem Umzug in eine teurere Wohnung soll das Geld für die Miete auf dem Niveau der günstigeren Wohnung gedeckelt werden. Nach Angebend der Bundesanstalt für Arbeit besteht darüber in der Arbeitsgruppe weitgehend Konsens. "Im Jahr 2015 wird es bei der Neuregelung eine Rolle spielen", sagte eine Sprecherin unserer Redaktion.

Sanktionen: Bisher differenzierte die Bundesagentur danach, ob jemand einen Termin beim Berater verpasste oder eine komplette Maßnahme ablehnte. Das könnte sich ab 2015 ändern: Für beide Vergehen gäbe es dann nur noch eine Strafe. Laut Handelsblatt müssten Bezieher damit rechnen, dass ihnen dann bis zu 30 Prozent weniger gezahlt werden. Nach Angaben der Bundesagentur ist der Vorschlag in der Expertengruppe allerdings umstritten. Wahrscheinlich wird noch nachjustiert.

Bagatellbeträge: Bei der Rückforderung von zu viel gezahlten Hartz-IV-Geldern waren die Jobcenter bisher selbst bei Cent-Beträgen penibel. BA-Vorstand Alt regte dazu kürzlich eine Bagatellgrenze von 50 Euro an. Bei allen darunter liegenden Beträgen sollten die Jobcenter künftig auf das Eintreiben verzichten. Auch weil die Kosten oftmals höher sind als der zu viel gezahlte Betrag. Fraglich ist allerdings noch, ob die Größenordnung von 50 Euro in der Expertengruppe durchkommt.

Anträge: Anträge auf Hartz IV sollen nur noch alle zwölf Monate erforderlich sein. Bisher ist das jedes halbe Jahr der Fall. Mit einer Neuregelung ist fest zu rechnen. Laut BA besteht auch in dieser Frage Konsens.

Umgang mit Hinterbliebenen: Bisher musste die BA immer an die Hinterbliebenen herantreten, wenn ein Empfänger verstarb und Leistungen noch über dessen Todestag hinaus geflossen sind. Das wird sich höchstwahrscheinlich ändern: Dann sollen die Banken die Gelder zurückerstatten.

Auch wenn noch keine handfesten Beschlüsse vorliegen, stießen die Pläne bereits auf scharfe Kritik. So kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die angedachten Änderungen als unzumutbar und "menschenfern". Durch die angekündigte Verschärfung von Sanktionen sowie neue Restriktionen bei der Übernahme von Wohnkosten würde sich die Situation für viele Betroffene sogar noch verschlimmern.

"Die Reformvorschläge sind in erster Linie verwaltungstechnischer Natur, so genannte Massenverwaltungstauglichkeit steht vor dem Einzelschicksal. Die wirklichen Probleme der Menschen greifen sie nicht auf", schimpft Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Wenn künftig die Miete gedeckelt oder Zahlungen gestrichen würden, sei das eine unzumutbare Verschärfung.

Wer wirklich etwas für die Menschen tun wolle, müsse die Regelsätze auf ein bedarfsgerechtes Niveau anheben und insbesondere endlich die Teilhabe von Kindern sicherstellen.

(pst)
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