Hagen / München Herder kauft Mehrheit an Buchhändler Thalia

Hagen / München · Der Finanzinvestor Advent verabschiedet sich von der Buchkette. Douglas-Miteigentümer Kreke stockt dagegen wieder auf.

Hagen / München: Herder kauft Mehrheit an Buchhändler Thalia
Foto: C. Schnettler

Stück für Stück hat sich der amerikanische Finanzinvestor Advent in den vergangenen Jahren von dem verabschiedet, was früher mal die Douglas-Gruppe war. Der Süßwaren-Anbieter Hussel und die Schmuckfirma Christ sind längst verkauft, Douglas selbst gehört seit 2015 mehrheitlich einem anderen Finanzinvestor, nämlich CVC. Jetzt bekommt auch die Buchhandelskette Thalia für einen angeblich dreistelligen Millionenbetrag einen neuen Mehrheitseigentümer - einen strategischen Investor. Zu 65 Prozent gehört Thalia künftig einer Holding, an der die Eigentümer der Verlagsgruppe Herder die Mehrheit halten. Die Familie Kreke, die einst Douglas gründete, stockt ihr Paket von 16 auf 35 Prozent auf.

Bei der Holding sind neben den Herders der Thalia-Chef Michael Busch und Internet-Experte Leif-Erik Göritz mit dabei. Göritz soll Aufsichtsratschef von Thalia werden - ein Bekenntnis zum Online-Handel. Jahrelang schrieb die Gruppe rote Zahlen, das Unternehmen hatte Riesenprobleme mit der stetig gewachsenen Konkurrenz im Online-Buchhandel, allen voran mit Amazon. Konsequenz: Der Finanzinvestor Advent und die Krekes unterzogen den Buchhändler einer harten Sanierung mit einschneidendem Stellen- und Filialabbau. Rund 280 Niederlassungen und etwa 4000 Mitarbeiter sind übrig geblieben. Online-Handel ist heute fester Bestandteil des Angebots, seit Jahren werden auch Spielwaren, CDs und DVDs verkauft. Ohne diese Neuausrichtung wäre Thalia nicht dauerhaft lebensfähig gewesen.

Ungeachtet dessen steht es nach Angaben des Käufers Herder "für die Erhaltung der innerstädtischen Lesekultur". Die mehrheitliche Übernahme von Thalia soll "auch ein Bekenntnis zum stationären Buchhandel" sein, wie Verleger Manuel Herder gestern unserer Zeitung sagte. "Als Verlag bedienen wir viele Buchhandlungen und sehen, dass der Handel sich wieder stabilisiert hat." Die Buchbranche, die seit Jahren mit Umsatzrückgängen zu kämpfen hat - zuletzt um 2,2 Prozent von 9,54 auf 9,32 Milliarden Euro - erlebt aktuell das Phänomen, dass der klassische Handel zumindest Marktanteile zurückerobern konnte: Über 54 Prozent aller Bücher wurden im vergangenen Jahr wieder in Buchläden gekauft.

Dass das nicht immer so bleiben wird, wissen alle. Daher will Herder mit der Thalia-Übernahme stärker als bisher eine Omni-Channel-Strategie fahren - also "die Kunden online und offline in einem integrierten System ansprechen", so Manuel Herder. Auch vor diesem Hintergrund erscheinen digitale Bücher, deren Wachstumsraten ohnehin übersichtlich geworden sind, nicht mehr als Bedrohung. "E-Books waren nur so lange ein Schreckgespenst, wie wir damit noch nicht umgehen konnten und auch nicht wussten, wie der Markt sich entwickeln würde", so der Verleger.

Dabei mutet der Schritt von Herder eher konservativ an. Denn vor genau 20 Jahren trennte sich der Verlag von den eigenen Buchhandlungen - damals allerdings unter anderen Vorzeichen. Die neue Erweiterung des Verlags um eine Buchhandelskette, einen Online-Händler und einen eigenen E-Book-Reader ist zunächst verkaufsstrategisch motiviert. Eine Änderung des Verlagsprogramms - mit Büchern unter anderen von Benedikt XVI., Anselm Grün, Margot Käßmann und dem Dalai Lama - soll es nicht geben. "Thalia macht so weiter wie bisher, Herder macht so weiter wie bisher", so Manuel Herder.

Henning Kreke ist sein neuer Partner willkommen: "Die Familie Herder steht seit über 200 Jahren für die Leidenschaft für das Kulturgut Buch. Uns verbindet eine langjährig gepflegte Beziehung und ein gleiches Verständnis von familiengeführtem Unternehmertum. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern die richtige Expertise besitzen, um Thalia in eine erfolgreiche Zukunft zu führen", sagte er unserer Redaktion.

(RP)
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