Düsseldorf Hoffmann vor Sprung an die DGB-Spitze

Düsseldorf · Der Landesbezirksvorsitzende der IG BCE Nordrhein soll im Mai 2014 Michael Sommer als DGB-Chef nachfolgen. Schon in der kommenden Woche rückt der 58-Jährige in den Bundesvorstand des Gewerkschaftsdachverbandes auf.

Lautes Gepoltere ist seine Sache nicht. Wüste Beschimpfungen von Arbeitgebern oder Politikern? Undenkbar. Reiner Hoffmann (58) ist ein Gewerkschaftsfunktionär der leiseren Töne, einer, der seine Worte und Argumente wohl wägt und seinem Gegenüber im Gespräch stets freundlich begegnet. Und doch darf diese ruhige Art nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hoffmann einer der mächtigsten Arbeitnehmervertreter Nordrhein-Westfalens ist. Seit 2009 leitet er den Bezirk Nordrhein der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) – den mit 107 000 Mitgliedern stärksten bundesweit.

In der kommenden Woche wird der Grundstein für Hoffmanns nächsten Karrieresprung gelegt: Am Dienstag wird er in den Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aufrücken. Er übernimmt den Posten von Claus Matecki (64), bislang zuständig für die Themenfelder Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik sowie den DGB-Haushalt. An der Spitze des Landesbezirks bleibt er noch bis Ende Januar. Denn die neue Position beim DGB ist nur eine Durchgangsstation: Im Mai 2014 soll der Industriegewerkschafter Hoffmann den Post-Gewerkschafter Michael Sommer (61) an der DGB-Spitze ablösen.

Für NRW bedeutet dieser Wechsel mehr Einfluss, weiss Hoffmann doch dank seiner Arbeit um die Besonderheiten und Eigenarten des Industrielandes. Den Strukturwandel durch den auslaufenden Braunkohlebergbau begleitete er; in seine Amtszeit fällt unter anderem die Schließung des Bergwerks West in Kamp-Lintfort. Zudem ist Hoffmann – anders als Sommer, der zwar in Büderich geboren wurde, aber früh mit seiner Mutter nach Berlin zog – fest in NRW verwurzelt. Aus einfachen Verhältnissen stammend – der Vater war Maurer – wuchs Hoffmann in Wuppertal auf und hielt der Stadt im Bergischen die Treue.

Auf der Handelsschule sammelte er erste Erfahrungen bei der Interessenvertretung – als Schülersprecher. Noch vor dem Beginn seiner Lehre bei den Farbwerken Hoechst zum Groß- und Außenhandelskaufmann trat Hoffmann, der aus einem gewerkschaftlich geprägten Elternhaus stammt, in die IG Chemie, Papier, Keramik ein. Nach der Lehre besuchte er die Fachoberschule und studierte als Böckler-Stipendiat in Wuppertal Wirtschaftswissenschaften.

Der Wissenschaft kehrte Hoffmann auch nach seinem Abschluss als Diplom-Ökonom nicht den Rücken. Er wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter im Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaft und später an der Uni Wuppertal. Als Gewerkschafter lag für ihn der Sprung zur Düsseldorfer Hans-Böckler-Stiftung nahe. Dort arbeitete er sich zum Abteilungsleiter hoch. 1994 folgte der Wechsel zum Europäischen Gewerkschaftsinstitut, dem Brüsseler Pendant zur Böckler-Stiftung, wo er zum Vize-Generalsekretär aufstieg. 2006 wurde er Aufsichtsratsmitglied bei Bayer.

Im Jahr 2009, in dem die deutsche Wirtschaft um fünf Prozent schrumpfte, kehrte Hoffmann nach NRW zurück. Es war eine schwierige Zeit für die von hohen Tarifabschlüssen verwöhnten Chemie-Beschäftigten. Als Seiteneinsteiger hatte Hoffmann noch nie hauptamtlich für die Gewerkschaft gearbeitet. Seine erste Tarifrunde als IG- BCE-Landesbezirksleiter Nordrhein mündete gleich in einem Krisentarifvertrag mit Einmalzahlung und einem Bonus, der je nach Konjunktur ausgesetzt werden konnte – so mancher Beschäftigte reagierten enttäuscht. Doch Hoffmann, der trotz seiner ruhigen Art Tacheles reden kann, leistete Überzeugungsarbeit. Immerhin konnten dank Vertrag, Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten zahlreiche Beschäftigte trotz der Krise gehalten werden. Beim Anspringen der Konjunktur waren die Chemiebeschäftigten zur Stelle – und bekamen später ihren Anteil am Aufschwung: 4,1 Prozent mehr Lohn 2011 und 4,5 Prozent im vergangenen Jahr.

Die politische Landschaft der Bundesrepublik, Hauptbetätigungsfeld des DGB, wird ab Dienstag dank des auf dem europäischen Parkett erfahrenen und krisenerprobten Wuppertalers um eine ruhige und bedachte Stimme reicher sein.

(RP)
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