Stockholm Hohes Einkommen macht nicht glücklich

Stockholm · Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton hat individuelle Konsumentscheidungen erforscht und Überraschendes herausgefunden. Das wichtigste Ergebnis: Man kann sein Lebenseinkommen nicht konsistent planen.

Man ist, was man isst, heißt ein Sprichwort. Entsprechend dreht sich in der Ökonomie alles um den Konsum. Er bestimmt über das dafür notwendige Einkommen die Arbeitsleistung, die Ausbildungskosten, die Sparneigung und ist letztlich das Ziel alles Wirtschaftens. Der britisch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Angus Deaton (69) hat für seine intensive Erforschung von Konsumentscheidungen den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis der schwedischen Akademie der Wissenschaften erhalten.

Es sind vor allem drei Ansätze, die Deaton berühmt gemacht haben. Zunächst geht es um die Formulierung einer widerspruchsfreien Nachfrage nach Konsumgütern. In ihrer idealen Welt der vollständigen Information haben Ökonomen Bedingungen formuliert, wonach sich Konsumenten nur dann rational verhalten, wenn sie bei Inflation ihr Kaufverhalten nicht ändern, wenn sie bei Preiserhöhung eines Gutes nicht mit höherer Nachfrage reagieren und wenn sie die Auswahl ihrer Güter von relativen Preisänderungen der anderen Güter abhängig machen. Das klingt sehr plausibel, wird aber empirisch nicht bestätigt.

Deaton wollte es nun nicht gelten lassen, dass die Konsumenten nur ihren Launen folgten. Vielmehr würden die Ökonomen die Entscheidungen der Konsumenten nicht richtig verstehen. Er entwickelte mit seinem britischen Kollegen John Muellbauer ein komplexes System von Konsumgleichungen, das die scheinbar widersprüchlichen Konsumenten-Entscheidungen viel besser abbildet. Für Regierungen sind seine Arbeiten nützlich, weil daraus abzuleiten ist, welche Effekte etwa die Erhöhung von Verbrauchsteuern hat. Auch für die Armutsforschung und die Entwicklungspolitik hat Deaton mit dem Konsum-Ansatz völlig neue Akzente gesetzt. Die Messung der Armut wird viel genauer.

Der zweite Ansatz beschäftigt sich mit dem Deaton-Paradox. Auch hier geht es um Konsumverhalten. Bereits in den 1930er Jahren entwickelte der britische Ökonom John Maynard Keynes die Idee, dass der Konsumanteil des zusätzlichen Einkommens immer konstant ist. 1976 erfand Milton Friedman die "Permanente Einkommenshypothese". Diese nimmt an, dass Konsumenten ihr Einkommen langfristig planen. Somit haben Schocks nur kurzfristige Auswirkungen. Da das Einkommen als feste Größe betrachtet werden kann, ist es auch möglich, den Konsum konstant zu halten. Das wird als wünschenswert erachtet.

Genauere empirische Daten belegen, dass die Annahme eines langfristig konstanten Einkommens fragwürdig ist. 1989 veröffentlichte Deaton zusammen mit John Campbell eine Untersuchung, wonach jenes langfristige Einkommen großen Schwankungen unterliegt. Diese Variationen sind sogar wesentlich größer als jene des kurzfristigen Einkommens und Konsums, eine überraschende Erkenntnis.

2010 schrieb Deaton zudem mit Daniel Kahneman, dem Wirtschaftsnobelpreisträger von 2002, eine Studie über den Zusammenhang von Einkommen und persönlichem Lebensglück. Demnach soll sich das Glücksgefühl durch eine Einkommenssteigerung nur bis zu einer Obergrenze von 75.000 Dollar (66.000 Euro) erhöhen. Danach steigt die Zufriedenheit nicht mehr viel weiter. Zu niedriges Einkommen macht hingegen tatsächlich unglücklich.

(RP)
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