Christian Lindner "Ich sehe zu viel Bürokratie und zu wenig Investitionsanreize in NRW"

Der Chef der NRW-FDP rät der Ministerpräsidentin, die McKinsey-Studie "NRW 2020" für eine Generalinventur der Wirtschaftspolitik zu nutzen.

 NRW-FDP-Chef Lindner fordert einen Umbau der Förderpolitik.

NRW-FDP-Chef Lindner fordert einen Umbau der Förderpolitik.

Foto: end

Welches Ergebnis der McKinsey-Studie "NRW 2020" hat Sie überrascht?

Lindner Dass der Strukturwandel abgeschlossen ist, obwohl Rot-Grün immer anderes sagt. NRW liegt bei Arbeitsplätzen und Wohlstand hinter Bayern, weil unser Land weniger wettbewerbsfähig ist. Das liegt nicht an den Menschen, sondern an der Politik. Ich sehe zu viel Bürokratie und zu wenig Investitionsanreize.

NRW wächst seit 1989 unterdurchschnittlich, auch in den Jahren der schwarz-gelben Landesregierung ging der Niedergang weiter ...

Lindner Schwarz-Gelb hatte 2005 einen Politikwechsel vorgenommen, der den Trend gedreht hat. Reduzierung der Neuverschuldung, Freiheit für die Hochschulen, Entlastung des Mittelstands von unnötiger Bürokratie und hohen Abgaben. Seit 2010 dreht Rot-Grün das nicht nur zurück, sondern erfindet sogar neue Fesseln. Vom Wasserentnahme-Cent bis zum Vergabegesetz.

Nordrhein-Westfalen war auch unter Schwarz-Gelb Schlusslicht bei der Kita-Versorgung. Die Mängel sind ein Grund, warum in NRW so wenige Frauen arbeiten.

Lindner Bei unserem Regierungseintritt 2005 war NRW Schlusslicht, dann begann die Aufholjagd. Heute setzt Rot-Grün die Prioritäten falsch: Statt Hunderte Millionen Euro in ein beitragsfreies Kindergarten-Jahr zu stecken, wäre für die Mittelschicht zunächst ein qualitativer und quantitativer Ausbau der Kinderbetreuung besser.

Die Studie beklagt, dass das Land seine knappen Fördermittel mit der Gießkanne verteilt. Sollte NRW ganz auf staatliche Förderung verzichten?

Lindner Die EU-Mittel sollten wir nutzen. Die Landesregierung verteilt Fördermittel aber zu stark nach Regionalproporz und Gesinnung. Mehr Erfolg verspricht der Wettbewerb um die innovativste Idee – egal, wer sie wo hat.

Keine Zukunft hat der Bergbau, trotzdem gehen 44 Prozent der Ausgaben des Wirtschaftsministers in diesen Bereich. Sollten diese Subventionen schneller abgebaut werden?

Lindner Das ist nicht realistisch. Die FDP hat aber durchgesetzt, dass 2018 der subventionierte Bergbau endgültig ausläuft. Zur Erinnerung: Die SPD hat diese Branche mit Milliarden künstlich beatmet. Das hat den Strukturwandel verzögert.

Eine Ursache für die Schwäche von NRW ist der Investitionsrückstand. Brauchen wir jetzt ein riesiges staatliches Investitionsprogramm?

Lindner Nein. NRW muss attraktiver für private Investitionen werden. Wenn die Grünen etwa das Kraftwerk Datteln torpedieren können, ohne dass die SPD eingreift, dann verschreckt das Investoren. Die Grünen haben auch ein Klimaschutzgesetz durchgesetzt, dass Industrie und Mittelstand bremst, obwohl es ökologisch unwirksam ist. Aufgrund von EU-Recht kann Kohlendioxid, das NRW-Betriebe einsparen, woanders ausgestoßen werden.

Was raten Sie der Ministerpräsidentin, mit der Studie zu tun?

Lindner Sie sollte ihre Wirtschaftspolitik einer Generalinventur unterziehen. NRW muss beste Standortbedingungen erhalten. Marktwirtschaft statt Bürokratie, entlasten statt belasten, ermöglichen statt bevormunden. Wir können nicht hinnehmen, dass NRW-Bürger im Schnitt 1000 Euro pro Jahr weniger Kaufkraft haben als die Bayern.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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