Ifo-Geschäftsklima und Konjunktur Die deutsche Wirtschaft kennt keine "German Angst"

Meinung | Berlin · VW-Skandal, Terroranschläge, US-Zinswende und geringeres China-Wachstum – all das kann die Zuversicht der deutschen Wirtschaft offenbar nicht trüben.

Ifo-Geschäftsklima: Die deutsche Wirtschaft kennt keine "German Angst"
Foto: dpa, chc fdt

VW-Skandal, Terroranschläge, US-Zinswende und geringeres China-Wachstum — all das kann die Zuversicht der deutschen Wirtschaft offenbar nicht trüben.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der wichtigste Frühindikator der deutschen Konjunktur, sank im Dezember im Vergleich zum Vormonat nur minimal. Das ist kein Zeichen für eine schwächere Konjunktur im kommenden Jahr. Im Gegenteil: Es ist ein Signal, dass die Wirtschaft trotz aller dieser negativen Nachrichten so optimistisch wie nur möglich ins neue Jahr geht.

"Ein besseres hätte man sich zu Weihnachten kaum wünschen können", frohlockt Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Von "German Angst" ist in der Wirtschaft keine Spur.

Das deckt sich auch mit den Wachstumsprognosen einiger der führenden Forschungsinstitute, die ihre Vorhersagen für 2016 jüngst leicht nach oben korrigiert haben — auf jeweils knapp zwei Prozent. Die robuste deutsche Konjunktur erstaunt, da ein Terrorangriff wie der am 13. November in Paris auch kurzfristig zu einem extremen Vertrauensverlust von Investoren und Konsumenten hätte führen können. Einen solchen Vertrauensverlust erwarten die befragten Unternehmen jedoch offensichtlich nicht.

Weiterhin wird die Konjunktur vor allem von der privaten Inlandsnachfrage getragen. Wichtigste Stütze dabei: Der hohe Beschäftigungsstand. Auch 2016 werden nach allen Prognosen weiterhin neue Stellen geschaffen, allerdings soll der Beschäftigungsaufbau geringer ausfallen als 2015. Dennoch: Wer Arbeit hat, hat auch ein Einkommen, die Konsumnachfrage steigt.

Und da die Nachfrage der Unternehmen nach gut ausgebildeten Fachkräften zunimmt, haben diese auch immer bessere Chancen, höhere Gehälter durchzusetzen. Auch der Anstieg der verfügbaren Einkommen stützt den privaten Konsum. Noch zu verhalten entwickeln sich demgegenüber die Unternehmensinvestitionen. Wenn auch diese wieder in Schwung kämen, würde die Konjunktur nochmals Schub erhalten.

Die stabile Konjunktur darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die alternde Gesellschaft, steigende Soziallasten und die Folgen der hohen Flüchtlingsmigration mittelfristig eher dämpfend auf das Wirtschaftswachstum wirken werden. Zwei Jahre wirtschaftspolitischer Stillstand bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 sollten wir uns nicht leisten.

Spätestens aber in der nächsten Legislaturperiode muss eine neue Bundesregierung wieder mehr tun, um das Land trotz des demografischen Wandels für die Zukunft fitzumachen und das Wachstum auf dem gegenwärtigen Niveau zu stabilisieren. Die unbeliebten und aus der Mode gekommenen Worte "Reformen" und "Reformagenda" werden dann wieder häufiger zu hören sein.

(mar)
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