Analyse IG Metall erkämpft vier Prozent mehr für Stahlarbeiter

Düsseldorf · Die Gewerkschaft erreichte für die 75 000 Beschäftigten eine kräftige Lohnerhöhung. Doch die Eindämmung der ungeliebten Werkverträge gelang ihr nur in Ansätzen. Die vereinbarten Regelungen sind schwammig.

Es sollte der große Abschluss werden für die IG Metall, ein Leuchtturmprojekt, an dem sich andere Branchen ein Beispiel nehmen. Nach den Leiharbeitern wollte sich Deutschlands größte Gewerkschaft umfassend dem Thema Werkverträge widmen. Doch zum ganz großen Wurf hat es in der Stahlbranche in der vierten Verhandlungsrunde nicht gereicht. Zwar hat die Gewerkschaft eine massive Lohnerhöhung durchgesetzt: Die 75 000 Beschäftigten bekommen rückwirkend zum 1. Juli 2,3 Prozent mehr und eine weitere Erhöhung um 1,7 Prozent ab dem 1. Mai 2015. Hinzu kommen eine Anhebung der Azubigehälter um 36 Euro sowie eine Verlängerung der Übernahmegarantie bis 2018. Doch beim Streitthema Werkverträge reicht es nicht für fundamentale Mitspracherechte.

Dabei wären die Voraussetzungen günstig gewesen. Arbeitgebervertreter reagieren inzwischen schon recht genervt, spricht man sie auf das "Experimentierfeld Stahlbranche" an. In keinem anderen Wirtschaftszweig gibt es einen derart hohen Organisationsgrad. Beim Höhepunkt der jüngsten Warnstreiks beteiligten sich nach Angaben der IG Metall rund 16 000 Stahlarbeiter - und das allein in NRW. Die Gewerkschaft hatte diese Macht beispielsweise 2010 dazu genutzt, um deutliche Verbesserungen für die Leiharbeiter durchzusetzen. Wenig später wurden vergleichbare Regelungen für die größte deutsche Branche, die Metall- und Elektroindustrie, übernommen.

Diesmal hatte sich IG-Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler also die Werkverträge ausgesucht. Schon vor Beginn der Gespräche kritisierte der NRW-Bezirksvorsitzende, dass ein Drittel aller Arbeitsstunde bei den Stahlunternehmen per Werkvertrag erbracht werde.

Doch das Ergebnis des zwölfstündigen Verhandlungsmarathons ist weniger ambitioniert, als zunächst gedacht: Ab dem kommenden Jahr müssen die Stahlunternehmer bei der Vergabe von Arbeiten an eine Fremdfirma nach dem Prinzip "Eigen vor Fremd" prüfen, ob die Arbeit nicht besser von der eigenen Belegschaft erledigt werden könne.

Außerdem müssen die Arbeitgeber die Werkvertragsnehmer dazu drängen, dass deren Mitarbeiter nicht länger als gesetzlich vorgeschrieben arbeiten. Zudem müssen die per Werkvertrag Beschäftigten künftig bessere Sicherheitsunterweisungen erhalten. Bei Verstößen kann einen Beschwerdestelle angerufen werden. Bekannt gewordene Verstöße sind durch den Betriebsrat des Vergabebetriebs mit dem Arbeitgeber zu erörtern und schnellstmöglich zu beheben. Der Betriebsrat kann zudem Transparenz über die Werkverträge verlangen.

Ein Veto-Recht der Arbeitnehmervertreter beim Einsatz von Werkverträgen gibt es hingegen nicht. Dieses hatten die Unternehmer bislang auch mit dem Verweis auf Eingriffe in die unternehmerische Freiheit strikt abgelehnt.

"Der Einstieg ist geschafft, der Praxistest muss folgen", urteilte IG-Metall-Chef Giesler nach den Gesprächen. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Helmut Koch, lobte, dass mit dem Kompromiss "die notwendige Entscheidungsfreiheit bei unseren Mitgliedsunternehmen verbleibt".

(RP)
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