Düsseldorf Irans Öl drückt den Preis weiter

Düsseldorf · Mit dem Ende der Wirtschaftssanktionen bekommt der zweitgrößte Ölproduzent der Opec in einigen Monaten wieder Schritt für Schritt Zutritt zum Markt - mit Folgen für den Ölpreis.

In der Ölwirtschaft ist es ein offenes Geheimnis: Vor der Küste des Iran dümpeln bereits seit Längerem mehrere Tanker im persischen Golf. An Bord Millionen Barrel (159 Liter) Öl. Das Mullah-Regime lechzt danach, schnell wieder Zugang zu dem so wichtigen Erdölmarkt zu bekommen. Nach der historischen Einigung im Atomstreit mit dem Westen soll das Land Schritt für Schritt zurückkehren - mit Folgen für den Erdölpreis.

Der Iran verfügt über die viertgrößten Ölreserven der Welt, ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdöl-Lieferant im mächtigen Kartell der erdölexportierenden Länder (Opec). Bis zu vier Millionen Barrel könnte das Land täglich bei voller Auslastung produzieren. Allerdings wird es noch dauern, ehe das Land wieder in vollem Umfang liefern wird. Denn abgesehen von den strengen Auflagen, die der Iran vom Westen bekommt, gibt es auch Grenzen bei der Infrastruktur.

"Es ist nicht so, dass die Ölproduktion im Iran sanktionsbedingt komplett ausgesetzt wurde. Der Iran verbraucht selbst sehr viel", erklärt Rohstoffexperte Lars Ehrlich vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Vor der Verhängung der Strafmaßnahmen habe der Export bei etwa 2,2 Millionen Barrel pro Tag gelegen, inzwischen liege er bei etwa 1,1 Millionen Barrel täglich. "Das Land wird versuchen, mit dem Auslaufen der Sanktionen wieder auf das alte Niveau zu kommen", sagt Ehrlich. Für Teheran heiße es deshalb, die alten Infrastrukturen wiederzubeleben. Und das werde noch Zeit benötigen. "Auf Knopfdruck zu alten Liefermengen zurückzukehren, ist nicht möglich."

Dass der Iran allerdings versuchen wird, schnell wieder zu liefern, sei logisch, meint der HWWI-Experte: "Das Land ist nach der sanktionsbedingten Durststrecke an schnellen Devisen interessiert, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln."

Die Folgen dürften für den Weltmarkt enorm sein. Zwar hatte die Opec auf ihrer jüngsten Sitzung im Juni wie erwartet beschlossen, die Lieferquote bei 30 Millionen Barrel am Tag zu belassen. Allerdings halten sich Ehrlich zufolge nicht alle Opec-Mitglieder an die Quote: "Saudi-Arabien beispielsweise liegt mit der aktuellen Produktion von knapp elf Millionen Barrel deutlich über dem vereinbarten Wert. Die tatsächliche Fördermenge der Opec dürfte bei bis zu 32 Millionen Barrel am Tag liegen." Der tägliche weltweite Bedarf liegt bei rund 93 Millionen Barrel. Durch die Schieferölförderung in den USA und die hohen Produktionsmengen der Opec liegt die tatsächliche Produktion derzeit drei Millionen Barrel darüber. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Preis. Ein Überangebot führt zwangsläufig zu niedrigeren Preisen.

"Die Rückkehr der Iraner auf den Weltölmarkt könnte möglicherweise das amerikanische Geschäft mit dem Schieferöl noch einmal zusätzlich erschweren", sagt Ehrlich. "Im Augenblick sind die USA ja mit ihrer Schieferölproduktion maßgeblich für den Preisverfall verantwortlich. Allerdings ist die Förderung dort auch deutlich teurer." Im arabischen Raum müsse man nicht erst Tausende Meter tief bohren, um an das Öl zu gelangen. Dieser Kostenvorteil könnte von den Opec-Ländern ausgenutzt werden, denen der steigende Einfluss der Amerikaner ohnehin ein Dorn im Auge ist: "Weil sie das Öl so viel günstiger anbieten können als die USA, könnten sie versuchen, die Fördermenge dauerhaft hoch zu halten und den dadurch entstehenden niedrigen Preis dazu zu benutzen, die teureren Produzenten wieder aus dem Markt zu drängen", sagt Ehrlich. Dass der Iran nun ebenfalls wieder liefert, erhöhe den Druck auf die amerikanischen Schieferöl-Anbieter zusätzlich.

Alleine die Ankündigung für die Aufhebung der Sanktionen hat sich am Dienstag schon an den Rohstoffmärkten bemerkbar gemacht. Der Preis für ein Barrel der Sorte Brent lag bei 57,45 Dollar. Zum Vergleich: Im Juni vergangenen Jahres lag er noch bei 117 Dollar. "Derzeit deutet vieles darauf hin, dass sich der Preis in den nächsten Wochen zwischen 55 und 65 Dollar einpendeln wird."

Gestern Nachmittag lag der Ölpreis nach Gewinnen im frühen Handel bei 58 Dollar. Das starke Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt trat wieder stärker in den Fokus der Anleger. Für den Nachmittag hatte die US-Regierung geplant, die Lagerbestände an Rohöl zu veröffentlichen. Experten gehen zwar von einem Rückgang der amerikanischen Ölvorräte um 1,9 Millionen Barrel aus. Allerdings liegt das Niveau der Reserven derzeit etwa 100 Millionen Barrel über dem Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre. Der Preis für Rohöl der Opec ging zuletzt ebenfalls zurück. Das Opec-Sekretariat teilte gestern mit, dass der Korbpreis der Ölsorten des Kartells am Dienstag bei 54,55 Dollar pro Barrel gelegen habe. Das waren 68 Cent weniger als am Vortag. Die Opec berechnet ihren Korbpreis auf Basis der zwölf wichtigsten Sorten des Kartells.

(maxi)
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