Mehr Internet-Unternehmen wagen sich an die Börse Windel-Papiere und Raketen-Aktien

Düsseldorf · Erst Rocket Internet, nun Windeln.de: Immer mehr Internet-Unternehmen wagen den Sprung an die Börse. Dort werden sie mit Milliarden und Millionen bewertet – obwohl die Gründer immer noch hohe Verluste anhäufen.

Ist Windeln.de fast 500 Milliarden Euro wert?
Foto: dpa, shp kno

Erst Rocket Internet, nun Windeln.de: Immer mehr Internet-Unternehmen wagen den Sprung an die Börse. Dort werden sie mit Milliarden und Millionen bewertet — obwohl die Gründer immer noch hohe Verluste anhäufen.

Wenn ein Unternehmen Windeln.de heißt, aber in Zukunft kaum noch Windeln verkaufen will, klingt das zunächst kurios. Doch die Investoren, die beim Börsenstart am Mittwoch Aktien des Münchner Start-ups gekauft haben, setzen genau darauf: weniger Windeln, mehr Geschäft.

Es ist eine Wette auf die Zukunft wie bei vielen Börsengängen von Internetunternehmen: Egal ob Facebook oder Twitter, Rocket Internet oder nun Windeln.de — die Börsengänge werden von viel öffentlicher Aufmerksamkeit und einer Menge Skepsis begleitet. Im Grunde stellt sich immer die gleiche Frage: Trägt das Geschäftsmodell dauerhaft?

Die Hoffnung auf den Kauf weiterer Produkte

Beispiel Windeln.de: Das Unternehmen hat in den vergangenen drei Jahren noch nie am Ende eines Jahres Gewinn gemacht. Das nimmt man in Kauf. Denn zunächst mal geht es ums Wachstum. Das zeigt schon der Name — denn Windeln sind Frequenzbringer. Mit ihnen werden die jungen Eltern auch im stationären Handel in die Geschäfte gelockt, doch der Händler verdient daran so gut wie nichts. Der Drogeriemarkt-Gründer Dirk Roßmann sagte zuletzt sogar im "Spiegel", dass er mit nahezu jeder im Internet verkauften Windel Verlust mache. Im Online-Shop der Drogeriemarkt-Kette ist der Versand daher auch auf ein Paket pro Sorte und Bestellung beschränkt.

Dass Windeln.de-Gründer Alexander Brand und Konstantin Urban trotzdem auf Pampers und Co. setzen, hat einen einfachen Grund: Wer sie im Warenkorb hat, der packt — so die Hoffnung — auch noch Strampler, Babyfon oder Kindersitz mit ein. Je geringer der Anteil an Windeln am Ende ist, desto besser ist es für das Unternehmen. Die Investoren scheinen an diese Erfolgsformel zu glauben: Die Aktien werden heute wohl für 18,50 Euro pro Stück angeboten, das Unternehmen wäre damit am Ende fast 500 Millionen Euro wert. Zu recht?

Oliver Samwer würde vermutlich sagen: Ja. Eigentlich ist es sogar verwunderlich, dass Windeln.de nicht zu seinem Rocket-Internet-Imperium gehört. Schließlich ist das 2010 gegründete Start-up eine Copy Cat, also ein Unternehmen, das die Idee eines anderen einfach kopiert und auf einen neuen Markt gebracht hat. Zuvor hatte in den USA bereits Diapers.com das Modell erprobt und war am Ende vom Online-Händler Amazon geschluckt worden.

Lebensmittelbranche als neue Wachstumssparte?

Lange Zeit war dies praktisch das Kerngeschäft der Samwers: Die Brüder Oliver, Marc und Alexander schauten sich weltweit nach vielversprechenden Ideen um — und klonten sie anschließend mit mal mehr und mal weniger großem Erfolg. Die Strategie hat die drei Brüder reich gemacht — und berüchtigt.

Er sei "der aggressivste Mann im Internet", hat Oliver Samwer einst über sich selbst gesagt. Nach der Mode-Branche (Zalando) und dem Möbel-Markt (Home24) meint man nun die Lebensmittelbranche als neue Wachstumssparte ausgemacht zu haben. Im Februar kaufte sich Rocket Internet für eine halbe Milliarde Euro beim Online-Lieferdienst Delivery Hero ein. Gestern wurde bekannt, dass dieses wiederum für umgerechnet fast 530 Millionen Euro den türkischen Wettbewerber Yemeksepeti gekauft hat.

Ob das Geschäftsmodell je die hohen Kosten rechtfertigt, ist ungewiss. Doch irgendwann wird Rocket Ergebnisse liefern müssen — und zwar bessere als die am Dienstag vorgestellten. Dazu reicht es nicht, jährlich bis zu zehn Start-ups auf den Weg zu bringen. Irgendwann müssen diese auch Gewinne machen.

Noch ist das Umfeld angesichts allgemein niedriger Zinsen jedoch günstig, um Investoren mit der Aussicht auf Rendite anzulocken. Die Chancen für Börsengänge sind gut, das wissen sie auch in der Branche. Als einer der nächsten Kandidaten gilt daher Delivery Hero.

(frin)
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