Nobelpreis für Wirtschaft Wie Jean Tirole uns Facebook erklärt

Düsseldorf · Die Arbeit des Franzosen Jean Tirole wurde in diesem Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Seine Wirtschaftstheorien sagen viel darüber aus, wie Monopole entstehen und wieder verschwinden. Vor allem aber hat Tirole 2002 die Arbeit von Internetfirmen analysiert. Seine Analysen treffen auch heute noch auf Firmen wie Facebook, Amazon und Google zu.

 Nobelpreisträger Jean Tirole.

Nobelpreisträger Jean Tirole.

Foto: afp, bb

Nicht mehr und nicht weniger als den Zustand der heutigen Internetwirtschaft skizzierte Jean Tirole gemeinsam mit Jean-Charles Rochet in einem Aufsatz über sogenannte "Two-Sided-Markets" aus dem Jahr 2002. Diese zweiseitigen Märkte wirken so, dass sowohl Anbieter wie auch Kunden maßgeblich an ihnen teilhaben. Über eine Plattform handeln Anbieter, Kunden und weitere Marktteilnehmer.

 Justus Haucap, bei der Präsentation einer Studie für den ADAC im Jahr 2012.

Justus Haucap, bei der Präsentation einer Studie für den ADAC im Jahr 2012.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Justus Haucap, Wirtschaftsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf hat sich ausgiebig mit Tiroles Theorie beschäftigt. Er bezieht die Theorie auf Firmen wie Facebook und Google: "Eigentlich unterscheiden sich diese Unternehmen nicht groß von dem Betreiber eines Einkaufszentrums. Dieser stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der Kunden und Anbieter zusammenfinden." Facebook bringt Nutzer und Firmen zusammen. Die Nutzer wollen auf Facebook kommunizieren, die Firmen wollen hier werben.

Dieses Geschäftsmodell muss jedoch nicht in alle Ewigkeit funktionieren, was Facebook zum Beispiel daran merkt, dass immer wieder Nutzer zu anderen sozialen Netzwerken abwandern. Justus Haucap nennt zwei Wege, wie die Internetfirmen diesem Negativtrend entgegenwirken:

Der zweite Punkt führt dazu, dass Google, Facebook oder Ebay für "nette Monopolisten" gehalten werden. Laut Justus Haucap gibt es einen Grund für dieses Image. "Vermutlich bedingt sich hier das Wesen des Marktes und die Art, wie Google wahrgenommen wird. Die Unternehmen sind netter, weil sie wissen, dass ihre Macht angreifbar ist", sagt er. Damit unterscheiden sich die vermeintlichen Internetmonopolisten deutlich von Monopolisten wie der Post, der Telekom oder der Deutschen Bahn. "Die Post wusste früher, dass der Kunde immer zu ihr kommen muss, weil es keine Alternative gab", sagt Haucap. Und diese Erkenntnis habe die Post ihre Kunden auch deutlich spüren lassen.

Auch "nette" Monopole halten nicht ewig

Die Monopole, die sich Google und Facebook aufgebaut haben, sind laut Haucap wesentlich kurzfristigere als die in anderen Wirtschaftsbereichen. Es gibt keine Infrastrukturen, wie ein Gleisnetz oder ein Netz von Telefonkabeln, die den Erfolg zementieren könnten. Facebooks Infrastruktur sind die Nutzerdaten. Zwar bleiben diese bestehen, wenn sie einmal gesammelt wurden, doch wenn Nutzer abwandern, ist Facebook weniger interessant für Werbekunden. Da nützen auch die gespeicherten Daten erstmal nichts.

Auch Uber agiert auf zweiseitigem Markt

Doch nicht nur die Geschäftsmodelle etablierter Internetfirmen belegen die außerordentliche Leistung von Jean Tiroles Arbeit. Auch das große Echo auf die Taxi-App "Uber" ließe sich damit erklären. Die App bringt selbstständige Fahrer und Fahrgäste zusammen. Auch bei "Uber" gilt die Formel: je mehr Anbieter (Fahrer) sich auf der Plattform registrieren lassen, desto attraktiver wird der Dienst für die Nutzer (Fahrgäste). Justus Haucap war bis Juli Mitglied der Monopolkommission, die auch die Bundesregierung berät, sieht aber nicht, dass mit Uber ein Monopol entstehen könnte. Es gebe in diesem Segment immerhin einige Alternativen.

Jean Tirole sagte 2002 voraus, dass Apple sein Geschäftsmodell in einigen Bereichen ändern würde. Damals bot Apple Soft- und Hardware an und verkaufte sie direkt an den Kunden. Über die Jahre holte das Unternehmen andere Firmen aus der Unterhaltungsbranche mit auf seinen Markt. ITunes von Apple wurde zur Plattform, auf der Plattenfirmen und Filmproduktionsfirmen ihre Produkte den Käufern bereitstellen. Apple sammelt zudem Daten der Nutzer, die Musik bewerten und eigene Vorlieben von sich preisgeben. Apple hat damit einen zweiseitigen Markt kreiert.

Wie Tirole wagt auch Justus Haucap einen Blick in die Zukunft der Internetwirtschaft. Seiner Meinung nach könnten aus "Two-Sided-Markets" immer mehr "Multi-Sided-Markets" werden. Hier gibt es dann gleich mehrere Plattformen, die ein Unternehmen in einem Markt bereitstellt. Auch die Ausdifferenzierung zu mehr Diensten wie sie Google praktiziert, dürfte ein Beispiel für andere Unternehmen sein. Die Beispiele "Google Plus" (soziales Netzwerkt und "Google Checkouts" (Bezahldienst) zeigen aber auch, dass diese Strategie nicht immer zum Erfolg führt.

(ac)
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