Nach zwölf Jahren Wechsel in den Aufsichtsrat Jenoptik-Boss Späth verlässt Chefposten

Jena (rpo). Er trägt den Spitznamen "Cleverle", war mit 40 Jahren jüngster Regierungschef der Bundesrepublik und galt im parteiinternen Machtkampf sogar als der Hauptkonkurrent von Helmut Kohl. 1991 nahm seine Karriere ein Wendung: Lothar Späth wurde Chef beim ostdeutschen Unternehmen Jenoptik, dessen Kommandobrücke er am Mittwoch nach zwölf Jahren verlässt.

Am Mittwoch übergibt der 65-Jährige nach zwölf Jahren seiner Tätigkeit in Jena die Führung an Finanzvorstand Alexander von Witzleben und wechselt in den Aufsichtsrat.

Der Zeitpunkt für die lange vorher geplante Übergabe des Konzerns ist jedoch nicht gerade günstig. Bedingt durch die anhaltende Konjunktur- und Börsenflaute hat Jenoptik im ersten Quartal 2003 seinen Betriebsverlust nahezu verdoppelt. Doch der unverbesserliche Optimist Späth hebt den gestiegenen Umsatz und Auftragseingang hervor und meint, dass dies Anlass zur Hoffnung auf Besserung geben soll.

Späths erstaunliche Karriere vom baden-württembergischen Ministerpräsident zu einem der bekanntesten deutschen Manager war erst durch den Fall der Mauer möglich geworden. Der medienfreundliche CDU-Politiker mit dem Spitznamen "Cleverle" war mit 40 Jahren jüngster Regierungschef der Bundesrepublik und galt im parteiinternen Machtkampf sogar als der Hauptkonkurrent von Helmut Kohl. Nach Vorwürfen in der so genannten Traumschiff-Affäre, er habe sich Urlaubsreisen von Industriellen bezahlen lassen, war er im Januar 1991 zurückgetreten und seine Karriere schien beendet.

Doch schon ab April beriet Späth die thüringische Landesregierung bei der Übernahme der Jenaer Carl-Zeiss-Stiftung. Das Unternehmen war nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie das Land in Ost und West geteilt worden, was einen langen Streit um Namens- und Warenzeichen zur Folge hatte.

Nach der Wiedervereinigung wurde das Jenaer DDR-Kombinat in die Carl Zeiss Jena GmbH und in die Jenoptik aufgeteilt. Zeiss ging an die westdeutsche Stiftung nach Oberkochen, und für die Jenoptik, deren Geschäftsführer Späth wurde, zahlten die Treuhand und das Land Thüringen die Riesensumme von rund 3,6 Milliarden Mark. Späth entließ 15.500 Arbeiter, weitere 7.000 wurden umgeschult oder weiter qualifiziert. Das Unternehmen war zunächst eine Art Baugesellschaft; ein großer Teil der alten Gebäude in der Innenstadt wurde abgerissen, Gewerbegebiete erschlossen und sogar norwegische Holzhäuser verkauft.

Als erstes Ost-Unternehmen an die Börse

1994 kaufte Späth den Stuttgarter Hersteller von Reinsträumen, Meissner+Wurst. Weitere eingesessene Westfirmen kamen hinzu, und allmählich wurde Jenoptik zu einem modernen Unternehmen, das sich auf die Bereiche Reinraumtechnik, Optik, Laser und Messtechnik konzentrierte. Durch die Zukäufe stieg der Umsatz und erreichte 1995 1,1 Milliarde Mark.

Am 16. Juni 1998 ging der Technologiekonzern als erstes ostdeutsches High-Tech-Unternehmen an die Börse. Die 26-fach überzeichnete Aktie wurde mit 45,30 Mark notiert. In der Zeit nach dem Börsengang hatte Späth - nicht zuletzt unter dem Druck der Aktionäre - den Konzern massiv umstrukturiert. Er trennte sich von Beteiligungen, die zu wenig Gewinn erzielten und erreichte in den Jahren 2000 und 2001 Rekordergebnisse.

Heute wirke Jenoptik als Motor für eine ganze Region und habe so etwas wie eine Leuchtturmfunktion, schrieb Späth in einem Brief an seine Aktionäre. Jena ist heute die Stadt in Thüringen mit der höchsten Wertschöpfung und den meisten hoch qualifizierten Arbeitsplätzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort