Düsseldorf Jugendliche sind Verlierer der Euro-Krise

Düsseldorf · Europas Wirtschaft erholt sich. Doch die junge Generation profitiert davon kaum. 26 Millionen Kinder und Jugendliche in der EU sind laut Bertelsmann-Stiftung von Armut bedroht. Doch was ist arm?

Europas Wirtschaft geht auf Erholungskurs, in vielen Ländern zieht das Wachstum an. Dennoch gelten 122 Millionen EU-Bürger als arm oder von Armut bedroht. Das entspricht einer Armutsquote von 24,6 Prozent. Zu dem Ergebnis kommt die Studie "Soziale Gerechtigkeit in der EU 2015" der Bertelsmann-Stiftung. Dabei sind Kinder und Jugendliche besonders betroffen: 26 Millionen sind demnach arm oder von Armut bedroht, das entspricht einem Anteil an allen unter 18-Jährigen von 27,9 Prozent. Damit ist der Anteil der armen Minderjährigen gegenüber dem Vor-Krisen-Jahr 2007 noch einmal deutlich gestiegen. Damals lag die Quote nur bei 26,4 Prozent.

"Wir können uns eine verlorene Generation in Europa weder sozial noch ökonomisch leisten. Die EU-Staaten müssen besondere Anstrengungen unternehmen, um die Chancen junger Menschen zu verbessern", sagte Aart De Geus, Chef der Bertelsmann-Stiftung.

Nun ist der Armutsbegriff, den die Stiftung wie die Statistischen Ämter verwenden, durchaus zweifelhaft. Danach gelten Haushalte als arm, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in ihrem Land (Median-Einkommen) zur Verfügung haben. In Deutschland beginnt Armut demnach bei einem Nettoeinkommen (inklusive Sozialleistungen) von 980 Euro im Monat für einen Ein-Personen-Haushalt und bei 2058 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren.

Danach kann eine Familie, deren Einkommen sich nicht verändert, plötzlich als arm gelten, nur weil das mittlere Einkommen in ihrem Land gestiegen ist. Absolut hat sich an ihrem Einkommen nichts geändert, nur relativ zu anderen ist es gesunken. Entsprechend gibt es viel Kritik am relativen Armutsbegriff; ein anderer hat sich bislang aber nicht durchsetzen können.

Und im Länder-Vergleich erlaubt der Armutsvergleich durchaus Rückschlüsse: In Bulgarien und Rumänien liegt die Armutsquote der Minderjährigen bei fast 50 Prozent. Diese Länder, die seit Kurzem freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben, machen ihrem Ruf als Armenhaus Europas also weiter traurige Ehre. Doch während in Bulgarien und Rumänien die Armutsquote in den vergangenen Jahren wenigstens zurückgegangen ist, ist sie in Griechenland und Spanien dramatisch gestiegen. In Griechenland gelten mittlerweile 36,7 Prozent der Minderjährigen als arm, in Spanien 35,8 Prozent.

"Das ist darauf zurückzuführen, dass in den meisten Ländern im Laufe der Krise die Renten nicht so stark geschrumpft sind wie die Einkommen der jüngeren Bevölkerung", schreiben die Autoren. In den Krisenländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit teilweise bei 50 Prozent. Die Stiftung forderte die EU-Staaten auf, mehr zu tun. In die richtige Richtung gingen die von der EU gestartete "Jugendgarantie" auf Beschäftigung.

Auch mit der Lage in Deutschland sind die Autoren nicht zufrieden, auch wenn hier die Jugendarbeitslosigkeit dank der dualen Ausbildung europaweit am niedrigsten ist. In Deutschland gelten 19,4 Prozent der Kinder als arm. "Das ist überraschend hoch für das stärkste Land in der EU", schreiben die Autoren. Zumal diese Quote in den vergangenen Jahren auch noch gestiegen ist. Besonders Kinder von Alleinerziehenden und Ungelernten sind von Armut betroffen.

Die jüngsten Rentenreformen (Mütterrente, Rente mit 63) haben zudem die Kluft zwischen Jungen und Alten in Deutschland verstärkt. "Die Rentenreformen gefährden die Stabilität des Rentensystems und bürden der jungen Generation hohe finanzielle Lasten auf", kritisiert die Bertelsmann-Stiftung.

Diese und andere Faktoren berücksichtigten die Forscher zudem in einem Index für Soziale Gerechtigkeit. Danach ist die Gerechtigkeit in Dänemark am höchsten. Auf einer Skala von eins (niedrig) bis zehn (hoch) liegt der Wert in Dänemark bei 7,2. Deutschland liegt mit einem Wert von 6,5 über dem EU-Durchschnitt (5,6). Schlusslicht Griechenland kommt auf 3,6.

(anh)
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