Justizministerium Jeder achte Mobilkunde ist Betrugsopfer

Berlin · Mit dem sogenannten "WAP-Billing" können Werbefirmen auf unzulässige aber einfache Weise Mobilfunkkunden zur Kasse bitten. Immer mehr Nutzer sind betroffen, wie eine noch unveröffentlichte Studie für das Justizministerium zeigt.

 Viele Mobilfunkkunden merken zu spät, dass Drittanbieter über ihre Handyrechnung abbuchen.

Viele Mobilfunkkunden merken zu spät, dass Drittanbieter über ihre Handyrechnung abbuchen.

Foto: Seybert

Kunden von Mobilfunkanbietern sollten ihre Rechnungen genau prüfen, Besitzer von Smartphones allemal. Denn nicht selten kassieren Drittanbieter wie Werbeunternehmen über die übliche Handyrechnung unzulässige Beträge ab, die Methode funktioniert besonders gut über Anwendungsprogramme wie Apps. Jeder achte Mobilfunkkunde ist bereits Opfer unzulässiger Abrechnungen geworden. Das geht aus einer Studie des Marktforschungsunternehmens Yougov im Auftrag des Bundesjustizministeriums hervor. Die Ergebnisse sind noch unveröffentlicht, liegen unserer Redaktion aber vor.

Demnach hat das Problem des sogenannten "WAP-Billing", also der Abrechnung von nicht oder nicht bewusst bestellten Leistungen von Drittanbietern über die Mobilfunkrechnung, in den vergangenen zwei Jahren "einen deutlich größeren Umfang" angenommen. Die meisten Opfer nutzen der Umfrage zufolge ihr Smartphone intensiv, 45 Prozent der Betroffenen gaben an, dass das Smartphone einen hohen Stellenwert in ihrem Leben einnehme.

Die Opfer sind der Studie zufolge zumeist junge, männliche Nutzer. Diese Gruppe ruft demnach häufiger Spiele-Apps auf, abonniert Klingeltöne oder konsumiert erotische Inhalte - die drei wichtigsten Einfallstore für Betrüger.

Die Methode funktioniert so: Wer etwa eine kostenfreie Spiele-App aufruft, bekommt mitunter Werbebanner von Drittfirmen gezeigt. Mit dieser Werbung refinanzieren sich viele Anbieter kostenfreier Programme. Wer auf den Banner eines betrügerischen Unternehmens klickt, gelangt auf eine spezielle Internetseite und kann in eine Abo-Falle tappen. Diese sind meist kaum zu unterscheiden von seriösen Angeboten, allerdings greifen sie bei einem Klick die individuelle Nummer der SIM-Karte im Smartphone ab.

Mit dieser sogenannten "MSISDN-Nummer" können die Betreiber der Seite an den Mobilfunkanbieter (etwa Telekom, Vodafone oder O2) herantreten und sich die Mobilfunknummer des "Kunden" übermitteln lassen. Damit können Betrüger im Regelfall sehr einfach ihre Forderungen auf die monatliche Handyrechnung des Opfers schreiben und abrechnen lassen. Zumeist geschieht das bei Aboleistungen (54 Prozent der Fälle), also seltener bei Einzelkäufen. Auch sind die meisten Opfer Kunden mit einem Festvertrag, nicht mit einer Prepaid-Karte.

Yougov fand heraus, dass der Hälfte der Kunden die Methode nicht bekannt ist. Verbraucherschützer sind alarmiert. Wer einen Betrugsverdacht hat, sollte sich zunächst an seinen Mobilfunkanbieter wenden. Hilft das nichts, stehen die Verbraucherzentralen mit Beratung zur Verfügung. Die Schadenshöhe kann laut Bundesnetzagentur nicht beziffert werden, auch zu betrügerischen Unternehmen gab es keine Angaben. Insider rechnen jedoch mit einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr. Das Problem: Laut Studie legten 60 Prozent der Betroffnen keinen Widerspruch gegen die Abbuchung vor.

Aber wie kann man sich schützen? Verbraucherschützer empfehlen, beim Mobilfunkanbieter eine Drittanbietersperre einrichten zu lassen, so dass Fremdfirmen nicht ungefragt abrechnen können. Auch Nicole Maisch, verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, empfiehlt das, geht aber noch einen Schritt weiter: "Wir fordern eine voreingestellte Drittanbietersperre, welche die Nutzerinnen und Nutzer durch ein Opt-In-Verfahren für die Anbieter, die sie wirklich wollen, wieder aufheben können", sagte sie.

Diese Empfehlung gibt auch Yougov heraus. Zudem müsse es eine digitale Bestätigungslösung geben, sagte Maisch. Sie sieht Verbraucherschutzminister Heiko Maas in der Pflicht, der sich zeitnah mit dem Thema befassen dürfte.

(jd)
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