Düsseldorf Karstadt-Filialen auch in NRW auf der Kippe

Düsseldorf · Der neue Chef Stephan Fanderl will neben den sechs benannten Filialen acht bis zehn weitere schließen. Unter den Kandidaten sind auch vier aus NRW. Der neue Eigner will die Standorte künftig in Erlebnis- und Bedarfshäuser einteilen.

Das Zittern bei Karstadt geht weiter: Stephan Fanderl, neuer Chef der angeschlagenen Warenhauskette, hat den ersten Rundumschlag gelandet. Sechs Filialen sollen im kommenden Jahr geschlossen werden, nach Fanderls Angaben sind 350 Mitarbeiter in den Warenhäusern in Stuttgart und Hamburg-Billstedt, in den Schnäppchenmärkten Paderborn und Frankfurt/Oder sowie in den K-Town-Filialen Köln und Göttingen betroffen. Doch das ist erst der Anfang. Wie Fanderl in einem Interview mit dem "Handelsblatt" erklärte, stehen noch acht bis zehn weitere Filialen zur Disposition, die ebenfalls in tiefroten Zahlen stecken. Man suche nach Wegen, vorzeitig die Mietverträge zu beenden.

Welche Häuser betroffen sind, sagte Fanderl nicht. 23 Filialen verdienten kein Geld, einige davon seien "dunkelrot". Es dürften auch einige Standorte in Nordrhein-Westfalen darunter sein. In Analysen wurden stets die Filialen in Mönchengladbach-Rheydt, Bottrop, Iserlohn und Recklinghausen als Schließungskandidaten eingestuft. Der Handelsexperte Gerrit Heinemann geht davon aus, dass vor allem kleinere Häuser in Städten mit wenig Einwohnern bedroht sind. Mehr als 2000 Stellen stehen insgesamt auf der Kippe.

Fanderl stimmte zudem die Mitarbeiter inmitten der laufenden Tarifgespräche auf Einschnitte ein. "Wir müssen über Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sprechen und darüber, die Tarifpause über 2015 hinaus zu verlängern", sagte Fanderl dem Blatt. Unter dem Strich bedeutet das nach Informationen unserer Zeitung, dass die Mitarbeiter rund 40 Prozent zu den Einsparungen beitragen sollen.

Mit dem Sparprogramm sorgt der 51-Jährige direkt für Ärger. So sei noch am Dienstag bei der letzten Tarifrunde zwischen der Interims-Geschäftsführung und Verdi explizit die Rede davon gewesen, dass kein Standort geschlossen werde, sagte Aufsichtsrat Arno Peukes von Verdi gestern unserer Zeitung. Zu diesem Zeitpunkt aber müsste mit den Vermietern bereits über die Auflösung der Mietverträge verhandelt worden sein. "Wir fühlen uns doppelt hintergangen. Das ist kein guter Stil", sagte Peukes. Die derzeit noch 17 000 Karstadt-Beschäftigten könnten in diesem Jahr noch mit der Zahlung von Weihnachtsgeld rechnen, erklärte Peukes: "Das ist am Dienstag noch einmal bestätigt worden." Verdi will zurück zur Tarifbindung, Fanderl lehnt das ab.

Verdi kritisierte vor allem die Schließung des Hauses in Stuttgart. Das Haus sei ein Kundenmagnet und laufe außerordentlich gut - nur sei die Miete zu hoch. Sie soll nach Informationen unserer Zeitung bei 14 Prozent des Umsatzes liegen, üblich sind fünf bis zehn Prozent. Die Miete geht an die Signa-Gruppe von Karstadt-Eigner René Benko. Auf deren Internet-Seite wird bereits nach neuen Mietern für die Immobilie in bester Lage gesucht.

Bei der Sitzung des Aufsichtsrats präsentierten Signa-Vertreter auch erstmals Teile des Konzepts "Fokus plus", mit dem Karstadt verloren gegangene Kunden zurückgewinnen will. Demnach werden die Standorte künftig in zwei Kategorien unterteilt - in Erlebnis-Häuser und in Häuser, die als Marktplatz vor Ort den täglichen Bedarf decken sollen. Fanderl kündigte zudem im "Handelsblatt" an, Signa werde in den kommenden Jahren im dreistelligen Millionen-Bereich investieren. Bis 2017 soll die Kette so eine Rendite von 2,5 bis 3 Prozent erwirtschaften.

Handelsexperte Heinemann von der Hochschule Niederrhein zweifelt daran, dass das mit dem Konzept gelingen wird. "Das sieht für mich nicht nach Neuausrichtung aus, sondern mit dem Nahversorgerkonzept eher wie eine Neuauflage von Karstadt Kompakt, was später Hertie war und es heute nicht mehr gibt", sagte Heinemann. "Eine echte Neuausrichtung ist das, was John Lewis und Debenhams in Großbritannien oder Macy's in den USA machen: die totale Durchdigitalisierung und Vernetzung aller Einkaufskanäle bis auf Artikelebene und alle Standorte." Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe hält er für viel zu gering. "Das erinnert alles sehr an Herrn Berggruen."

(RP)
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