Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer "Kein Mindestlohn ohne Ausbildung"

Düsseldorf · Für junge Menschen ohne Berufsausbildung muss es Ausnahmen von der allgemeinen Lohnuntergrenze geben, fordert der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Die geplante Frauenquote sei gut gemeint, es gebe aber weiterhin zu wenig qualifizierte Frauen.

 Ingo Kramer ist der neue Präsident des Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Ingo Kramer ist der neue Präsident des Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Foto: dpa, Tim Brakemeier

Rentenpaket, Mindestlohn, Frauenquote — wie zufrieden sind Sie mit den Plänen der großen Koalition?

Kramer Unser Eindruck ist, dass die Regelungsdichte deutlich zunimmt durch die große Koalition. Das gilt auch für die Werkverträge, die sich seit 100 Jahren als flexibles Instrument am Arbeitsmarkt bewährt haben. Vieles wird zurückgedreht, was wir mit der erfolgreichen Reform-agenda 2010 erreicht haben. Das ist nicht gut für unsere Volkswirtschaft.

Mit dem Rentenpaket müssen Sie aber leben. Wie kann eine Frühverrentungswelle verhindert werden?

Kramer Wir halten das Rentenpaket für kontraproduktiv. Da es sich aber nicht mehr aufhalten lässt, müssen wir jetzt wenigstens dafür sorgen, dass die schlimmsten Fehler nicht begangen werden. Ich kann nicht ausschließen, dass einzelne Arbeitnehmer eine solche Regelung zur Frühverrentung nutzen werden. Wir müssen solche Anreize für eine neue Frühverrentungswelle durch die Einführung der Rente mit 63 verhindern. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung dafür finden.

Wie viele Jobs bedroht das Paket?

Kramer Mittel- bis langfristig wird sich das Rentenpaket negativ auf die Beschäftigung auswirken, wenn einerseits neue Anreize zur Frühverrentung gesetzt werden und andererseits Arbeitsplatzverluste durch steigende Lohnzusatzkosten drohen, weil die Rentenbeitragssätze gegen Ende des Jahrzehnts schneller steigen müssen als bisher vorgesehen. Diese Koalition verbraucht das Geld, das sich in der Rentenkasse angesammelt hat. Das ist das Gegenteil von nachhaltiger, vorsorgender Rentenpolitik.

Und wie bewerten Sie die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns?

Kramer Der gesetzliche Mindestlohn wird zulasten der Schwächsten erhebliche Bremsspuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen, wie zum Beispiel bei Langzeitarbeitslosen oder Menschen, die noch nie gearbeitet haben. Wir müssen auch verhindern, dass junge Menschen lieber einen Hilfsarbeiterjob annehmen als eine Berufsausbildung zu beginnen, die in der Lehrzeit schlechter bezahlt ist. Der größte Teil der heute Langzeitarbeitslosen hat keine Berufsausbildung. Da kann sich der Mindestlohn als verhängnisvoll erweisen. Für junge Menschen bis zu einer bestimmten Altersgrenze ohne Berufsausbildung muss es daher eine Ausnahme vom Mindestlohn geben. Die Ausbildung muss Vorrang haben.

Werden bald 30 Prozent aller Aufsichtsratsposten in börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt?

Kramer Ich halte generell nichts von Quoten. In meiner Firmengruppe gibt es sechs männliche Geschäftsführer, fünf davon mit Ingenieurs-Ausbildung. Alle sind zwischen Ende 40 und 60. Wenn Sie in dieser Altersklasse Frauen haben möchten, müssten das Frauen sein, die vor mehreren Jahrzehnten ein Ingenieursstudium aufgenommen haben. Die können Sie mit der Lupe suchen. Das hat sich gebessert, jetzt gibt es 30 Prozent Frauen in den Hörsälen. Aber die brauchen noch Berufserfahrung, es wird also noch Jahre dauern, bis genügend Ingenieurinnen verfügbar sind.

Trotz aller Selbstverpflichtungen der Wirtschaft ist der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen aber bis heute weiterhin verschwindend gering.

Kramer Die Unternehmen werden künftig deutlich mehr Interesse haben, Spitzenfrauen im Betrieb zu fördern und zu halten. Das lässt sich aber nicht über eine Quote lösen, weil damit nicht die Qualifikation einer Kandidatin, sondern ihr Geschlecht das Auswahlkriterium wird. Wir brauchen selbstverständlich qualifizierte Frauen auch in der Führung, keine Frage. Aber sie müssen eben auch die richtigen finden, die das können. Das ist nicht über die Quote zu lösen.

Tut Deutschland bei der Einwanderungspolitik schon genug?

Kramer Die große Koalition sollte unbedingt noch in dieser Legislaturperiode Position beziehen, wie Deutschland künftig die qualifizierte Einwanderung steuern will. Denn um 2020 herum werden wir bereits spüren, dass die Beschäftigung mangels Arbeitskräften massiv sinkt. Um diese klare Positionierung kann sich die Koalition nicht mehr weiter herumdrücken. Ob wir die Einwanderung über ein Punktesystem wie Kanada oder die Greencard wie die USA steuern, bleibt der Politik überlassen. Wir haben ja beste Voraussetzungen: Es gibt längst die Wahrnehmung in der Welt, dass Deutschland ein attraktives Einwanderungsland ist.

Birgit Marschall und Gregor Mayntz führten das Gespräch.

(mar, may-)
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