Essen Krupp feiert seinen Mythos

Essen · Mit einem Festakt in der Villa Hügel beging Krupp gestern sein 200-jähriges Bestehen. Deutschlands Prominenz lobte in Essen das solidarische Miteinander von Konzern und Belegschaft, das ThyssenKrupp bis heute prägt.

Krupp feiert 200-jähriges Bestehen
8 Bilder

Krupp feiert 200-jähriges Bestehen

8 Bilder

Vor 100 Jahren hielt als letzter deutscher Kaiser Wilhelm II. die Festrede. Vor 50 Jahren der erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss. Und gestern Christian Wulff: Auch der zehnte deutsche Bundespräsident setzt die Tradition deutscher Staatsoberhäupter fort und verneigt sich vor dem legendärsten Stück deutscher Industriegeschichte. #

Der Stahlriese Krupp, vor zwölf Jahren mit Thyssen verschmolzen, feierte sein 200-jähriges Bestehen. Natürlich in der Villa Hügel, dem einstigen Familiensitz der Krupp-Dynastie, die als letzter Prunkbau des Ruhrgebiets selbst Geschichte geschrieben hat.

Entsprechend war die Feier gestern gesellschaftlicher Höhepunkt der Republik. Neben NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nahmen ihre Amtsvorgänger Peer Steinbrück (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU) unter dem mächtigen Kassettendecken-Gewölbe des oberen Hügel-Saals Platz, Ex-Bundespräsident Walter Scheel, Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und die erste Reihe der deutschen Wirtschaftsprominenz: Deutsche-Bank-Chefaufseher Clemens Börsig zum Beispiel, Siemens-Chef Peter Löscher, Henkel-Chef Kasper Ror-sted, BDI-Präsident Hans-Peter Keitel, Springer-Chef Mathias Döpfner nebst Verlegerin Friede Springer.

Als der Bundespräsident um 11 Uhr den Saal betrat, hing ein Hauch von Andacht zwischen den schweren Ölgemälden. Die 200 Gäste erhoben sich, der Saal verstummte. Wobei unklar blieb, ob die Reverenz dem Präsidenten oder dem großen alten Mann an seiner Seite galt: Berthold Beitz (98), der während des Dritten Reiches vielen Juden das Leben gerettet hat, später Vertrauter der Familie Krupp wurde und heute als ihr Testamentsvollstrecker noch immer der mächtigste Mann bei ThyssenKrupp ist. Kurzum: Eine lebende Legende, die gestern bei der 200-Jahr-Feier der eigentliche Mittelpunkt war.

"Wir blicken auf eine bewegte Firmengeschichte zurück", eröffnete Beitz die Feier, um schon im zweiten Satz bemerkenswert offen zu werden: "Es wäre Schönfärberei, hier nur Erfolgsgeschichten zu erzählen", spielte er auf die schwere Krise an, die den hoch verschuldeten Konzern aktuell plagt. Seine Hoffnung: "Kern der Firma Krupp war immer ein Band des Vertrauens zwischen Beschäftigten und Eigentümern", was Krupp auch diesmal aus der Krise führen werde.

Der Bundespräsident erinnerte an die Krankenversicherung, die Krupp schon 1836 fast zeitgleich mit Betriebsrenten, Kindergärten und Schulen für die Kruppianer eingeführt hat. "Ziel war und blieb die auf Dauer angelegte Beziehung zur Belegschaft", beschrieb Wulff die bei Krupp bis heute gepflegte Kombination von Profitstreben und sozialer Verantwortung, die später in der Übertragung des Kruppschen Vermögens auf eine gemeinnützige Stiftung gipfelte. "Wie wohltuend angesichts der Exzesse in unregulierten Finanzmärkten mit einem Volumen von über 40 Billionen Euro", sagte Wulff. Kraft dankte den Gastgebern dafür, "dass wir gemeinsam die Deindustrialisierung unseres Landes verhindern".

Der ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef und designierte Beitz-Nachfolger an der Spitze der Stiftung, Gerhard Cromme, stellte die Frage: "Wie kann ein Unternehmen 200 Jahre überleben?" Crommes Antwort: Mit den langfristigen Perspektiven, die das Management vor allem dank der Krupp-Stiftung als ruhendem Aktionärs-Anker entwickeln könne. Und mit der Ausrichtung des Unternehmens auf das Gemeinwohl, die erst den Balance-Akt zwischen Stabilität und unternehmerischem Mut ermögliche. "Was heute gelingen soll, braucht ein verlässliches Gestern und ein optimistisches Morgen", sagte Cromme, bevor Daniel Barenboim die Feier am Flügel ausklingen ließ.

(RP/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort