Essen Kullmann übernimmt das Evonik-Steuer

Essen · Die Aktionäre verabschiedeten gestern Klaus Engel. Von nun an gibt der Niederrheiner den Kurs in Deutschlands größtem Spezialchemie-Konzern vor.

Der Chemiekonzern Evonik hat einen neuen Chef. Mit der Hauptversammlung übergab gestern der Chemiker Klaus Engel (61) das Steuer an den Wirtschaftshistoriker Christian Kullmann (48).

Aufsichtsrats-Chef Werner Müller dankte Engel, den er aus alten Veba-Zeiten kennt. "Ich habe Sie als einen netten Kerl kennengelernt, der viel in der Birne hatte, vor allem chemischen Sachverstand." Engel habe Evonik gut durch die Finanzkrise gesteuert, die Energiesparte (Steag) verkauft, als diese noch werthaltig war, und gute Zukäufe geschafft. Eigentlich wollte Engel bis 2018 bleiben. "Es ist leichter zu gehen, wenn alle das bedauern", tröstete Müller.

Ein Satz stand für Engel: "Wenn es um die Konsolidierung der Branche geht, wollen wir nicht an der Seitenlinie stehen", hatte er 2013 gesagt. Als dann die Fusionswelle in der Chemie Fahrt aufnahm, sich bei Evonik aber nicht viel tat, hing der Satz ihm wie ein Mühlstein am Hals. Gestern zitierte Engel ihn wieder - denn 2016 hatte er geliefert. Evonik übernahm das Additiv-Geschäft des US-Konzerns Air Products für 3,8 Milliarden Dollar und Huber Silica für 630 Millionen. "Evonik ist für die kommenden Jahre gut gerüstet. Deshalb kann ich Evonik zuversichtlich in die Hände meines Nachfolgers übergeben", sagte Engel.

Der hat eine steile Karriere gemacht. Christian Kullmann war zunächst für die Dresdner Bank tätig. 2003 wurde Müller auf ihn aufmerksam und holte ihn zum Kohlekonzern RAG. Seitdem ging Kullmann seinem Meister in verschiedenen Funktionen zur Hand: Er stieg vom Pressechef der RAG zum Vorstand der Evonik auf, die aus dem Nicht-Kohle-Bereich der RAG entstanden war. Gemeinsam kämpften sie den sozialverträglichen Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung durch und die Schaffung einer Stiftung für die Ewigkeitslasten. Kullmann ist bestens vernetzt, was bei dem hochpolitischen Geschäft von hohem Wert war. Zuletzt war er als Vize-Chef von Evonik für die Strategie zuständig und trieb die Einkaufstour in den USA voran. Für die Erdung sorgen seine Frau und zwei Töchter, mit denen er im niederrheinischen Hamminkeln bei Wesel lebt. Sein Fußballherz schlägt schwarz-gelb, Kullmann sitzt im Aufsichtsrat von Borussia Dortmund. In die Champions League will er auch mit Evonik: "Mein Ziel ist es, den besten Spezialchemie-Konzern der Welt zu formen", kündigte er im März an.

Einige Hundert Aktionäre waren zum Steuerwechsel in die Grugahalle gekommen. Mit Arbeit und Dividende sind sie zufrieden, mit dem Kurs nicht. Evonik notiert mit 31 Euro unter dem Ausgabekurs von 33 Euro. "Da fehlt der richtige Schwung", sagte ein Aktionär. Kritische Fragen hatte ein Aktionärsvertreter zum Sponsoring für den BVB: "Tore schießen keine Dividende. Reicht nicht auch die Hälfte der Förderung? Sollten wir das Geld nicht lieber in die Forschung stecken?" Evonik hält knapp 15 Prozent der Anteile an Borussia Dortmund und gab zuletzt 16,2 Millionen Euro als Sponsor. Das sei eine erfolgreiche Marketingausgabe, erklärte Engel.

Auch Haniel-Chef Stephan Gemkow, als kritischer Aufsichtsrat bekannt, soll immer mal kritische Fragen zum Sponsoring gestellt haben. Er ist seit der Evonik-Gründung vor zehn Jahren Mitglied des Kontrollgremiums. Nun verlässt er den Aufsichtsrat. Für ihn zieht der Linde-Chef Aldo Belloni ein.

Evonik bekräftigte seinen Ausblick für 2017. Nachdem im ersten Quartal das wichtige Methion-Geschäft wegen des Preisverfalls bei Tierfutter weiter gelitten hat, geht Engel davon aus, dass nun die Talsohle erreicht ist. Keine Angst hat Evonik vor dem Konkurrenten Clariant-Huntsman, der aus einer Fusion entstehen soll. Am 1. Juni will Kullmann auf einer Investorenkonferenz verraten, wie er Evonik weiter nach vorn bringen will.

(anh)
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