Frankfurt/Düsseldorf Kursrutsch verunsichert Anleger

Frankfurt/Düsseldorf · Nach Jahren des Aufschwunges rutschen die Börsen ab. Ein Grund ist, dass es der Wirtschaft in den meisten Ländern gut geht - das lässt höhere Zinsen erwarten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den Turbulenzen an den Börsen.

Frankfurt/Düsseldorf: Kursrutsch verunsichert Anleger
Foto: Kalker

Selten ging es an der Börse so lange so stark aufwärts wie in den vergangenen Jahren - jetzt ist eine Korrektur angebracht. So lässt sich der Absturz der US-Börsenbarometer interpretieren. Der Dow Jones Index, der eine Auswahl von 30 Aktien von Apple bis zum Handelsriesen Wal-Mark abbildet, fiel schon am Montag zeitweise um 1600 Punkte -als absoluter Wert soviel wie noch nie, gestern Abend deutscher Zeit gab es dann eine zeitweise Erholung. Im viel breiter aufgestellten Index S&P 500 mit 500 Firmen löste sich in kurzer Zeit mehr als 1000 Milliarden Dollar an Marktwert auf. Und auch Deutschland wurde von den Turbulenzen erfasst: Der Dax 30 rutschte um 2.3 Prozent ab - und das nachdem er nach dem historischen Höchststand von 13.597 Punkten am 23. Januar schon rund sieben Prozent verloren hatte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist die wichtigste Ursache für die aktuellen Kursschwächen? Hauptgrund ist, dass es der Wirtschaft in Europa, den USA und global gut geht. Weltweit sind die Wachstumsprognosen angehoben worden, die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist so niedrig wie seit 25 Jahren nicht, die Inflation zieht langsam an - und nun erwarten viele Experten ein vorsichtiges Ende der Politik des extrem billigen Geldes durch die EZB und erst recht die US-Zentralbank. Als Ergebnis könnten Anleihen von Staaten oder Unternehmen wieder höhere Zinssätze als lächerlich niedrige 0,5 Prozent oder 1,5 Prozent bringen - und als Folge würden viele Anleger wie Versicherungen wieder mehr Geld in Festverzinsliche stecken und ihren Aktienanteil herunterfahren. Diejenigen, die das erwarten, rechnen mit sinkenden Aktienkursen - und verkaufen jetzt. "Es gab keinen Anlass, aber viele Ursachen. Zu stark steigende Zinsen wären nicht gut für Börse und Konjunktur", sagt Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Warum der heftige US-Absturz? Von Menschen programmierte Computer steuern einen Teil der Wertpapierkäufe. Die lösen oft einen automatischen Verkauf aus, wenn die Börse gewisse Haltepunkte erreicht hat. "Der Trend ist mein Freund", lautet eine Börsenweisheit - es ist also für kurzfristig orientierte Anleger - und Computer! - sinnvoller, einer Verkaufswelle zu folgen. Was bedeutet dies? Wegen der automatischen Verkäufe wachsen die Kursverluste an wie ein Schneeball, der einen verschneiten Hügel herunterrollt. Händler an der Wall Street sehen den Kursrutsch des Dow Jones unter 25.000 Punkte als solchen Auslöser. "Viele Anleger sind in regelrechte Panik geraten", sagt der Vermögensverwalter Thomas Altmann. In Deutschland könnte es ähnliche Folgen haben, falls der Dax unter die sensible Grenze von 12.000 Punkten fällt. Diesen Wert übersprang der Index im März und zog seitdem bis auf den bisherigen Höchststand von 13.597 Punkten am 23. Januar an - und seitdem geht es wieder bergab.

+ Also drohen weitere Kursverluste? Ja. Wegen der wirtschaftlich guten Lage ist aber auch eine Korrektur nach oben denkbar. Zur Erinnerung: Im September war der Dax nach einem Hoch von 12.800 Punkten unter 12.000 Punkte gerutscht - und schoss dann wieder um 13 Prozent bis Januar hoch. Noch Montags bestätigte der Chef des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, Christoph Schmidt, dass er 2018 mit 2,2 Prozent Wachstum rechnet.

Sollten Anleger jetzt einsteigen? Eine weitere Börsenweisheit lautet: "Greife nie in ein fallendes Messer" - es ist also riskant, Papiere in einem abrutschenden Markt zu kaufen. Grundsätzlich raten aber viele Experten wie auch der Chefredakteur des Portals Finanztip, Hermann-Josef Tenhagen, dazu, einen Teil der Ersparnisse in Aktienvermögen zu investieren."Als kaufmännisch denkende Investoren sehen wir den Rücksetzer jetzt als Einstiegsgelegenheit", ergänzt Philipp Vorndran, Stratege beim Kölner Finanzhaus Flossbach von Storch. Die Firma kaufe für ihre Fonds gezielt neue Aktien auf, sagt er auf Anfrage. So wolle man nach dem aktuellen "reinigenden Gewitter" vom nächsten Börsen-Aufschwung profitieren. Gibt es einen grundsätzlichen Schutz gegen Crashs an der Börse? Nein. Zwei Ratschläge sollten Investoren aber beachten: "Nicht alle Eier in einen Korb legen" lautet die wichtigste Börsenlehre. Das Risiko breit streuen, ist also entscheidend. Zweitens sollten Anleger ihre Papiere nicht alle zum gleichen Zeitpunkt kaufen, sondern über einen längeren Zeitraum hin verteilt. Dann profitieren sie vom "Cost-Average-Effekt": Bei einem breiten Absturz erhalten sie für das gleiche Geld mehr Papiere, bei Höchstständen profitieren sie von der hohen Bewertung. Am Ende ist dann der Verkaufszeitpunkt wichtig - also nicht ausgerechnet nach einem Börsencrash.

Könnten die Turbulenzenauch zu einem Absturz der Realwirtschaft führen? Denkbar ist das, aber nicht sehr wahrscheinlich. Aber man muss sehen, dass in den USA, Großbritannien, vielen Ländern Skandinaviens oder den Niederlanden mehr Familien als in Deutschland einen Teil ihrer Ersparnisse in Aktien und Aktienfonds investiert haben. Sofern hier der Wertverlust groß würde, könnte dies die Konsumfreude senken. Voraussetzung wären deutlich größere Kursverluste als eine reine Korrektur von Höchstkursen.

(RP)
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