Frankfurt/M. Lebensversicherer fürchten Kündigungswelle

Frankfurt/M. · Altkunden könnten jetzt aussteigen und kassieren, solange die bestehende Regelung bei den Bewertungsreserven noch gilt.

In der Lebensversicherung geht das große Zittern um, weil der Branche eine Welle vorzeitiger Kündigungen alter Verträge droht. Die Unternehmen fürchten, dass schon lange laufende Verträge vorzeitig gekündigt werden, wenn die Bundesregierung wie offenbar geplant die Bewertungsreserven verringert. Darauf drängen die Versicherer: "Sie verlieren Monat für Monat Substanz, die gebraucht wird, um alle Versicherten gut durch die Niedrigzinsphase zu bringen", klagt -GDV-Präsident Alexander Erdland. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat Hilfe zugesagt. Man müsse aufpassen, dass nicht zu viele Reserven an zu wenige Versicherte ausgeschüttet werden, sagte er kürzlich. Das könnte bedeuten, dass die Versicherten nicht mehr zu 50, sondern zu niedrigeren Prozentsätzen an den Reserven beteiligt werden. Profiteure der bisherigen Regelung könnten dann kündigen, wenn die Änderung absehbar ist. Branchenkenner wollen wissen, so könne man sich etwa 8000 Euro je 100 000 Euro Versicherungssumme mehr auszahlen lassen.

Hintergrund: Seit Jahren liegt der Anteil festverzinslicher Wertpapiere im Depot der Versicherer bei 80 Prozent. Damit ist derzeit aber nicht viel zu verdienen: Bei 1,38 Prozent liegt die durchschnittliche Rendite aller Bundeswertpapiere. Neue Kunden können derzeit also nicht mit großem Ertrag aus einer Lebensversicherung rechnen. Anders Altkunden, mit deren Beiträgen schon jahrelang sichere Wertpapiere gekauft wurden. Diese Papiere sind im Kurs gestiegen. Versicherer, die im Jahr 2000 bei einer Bundesanleihe zugegriffen haben, haben damit Kursgewinne bis zu 50 Prozent erzielt. Und um die geht es. Der Kursgewinn steht in den Bewertungsreserven, und an denen müssen die Versicherten laut Gesetz zur Hälfte beteiligt werden. Wessen Vertrag jetzt ausläuft, kann also mit einer Beteiligung an hohen Reserven rechnen. Im laufenden Jahr haben die Lebensversicherer jeden Monat knapp 300 Millionen Euro an Bewertungsreserven an ihre Kunden ausgeschüttet. Das waren rund 80 Prozent mehr als 2011.

Die Versicherer fürchten nun, in der Niedrigzinsphase ihre Polster zu verlieren. Auch die Finanzaufsicht Bafin schlägt Alarm: Niedrige Zinsen und zugleich steigende Eigenkapitalanforderungen für die Branche könnte einige deutsche Lebensversicherer die Existenz kosten. "Ich bin nicht sicher, ob es alle Versicherer schaffen werden", sagte Bafin-Aufseher Felix Hufeld. Die Bafin beaufsichtigt 90 Lebensversicherer.

(RP)
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