Karlsruhe Lehman-Opfer siegen vor dem BGH

Karlsruhe · Der Bundesgerichtshof hat zwei Anlegern Recht gegeben, die über die Bethmann-Bank Zertifikate des zusammengebrochenen Investmentbank gekauft und auf Schadenersatz geklagt hatten. Ein Urteil mit Signalwirkung?

Den meisten Normalsterblichen dürfte der Name Lehman Bank längst aus dem Gedächtnis entschwunden sein. Erstens interessieren Institute jenseits des Atlantiks ohnehin in vielen Fällen nur die Fachleute, zweitens liegt die Pleite der amerikanischen Investmentbank schon mehr als sechs Jahre zurück. Andererseits hat inmitten der Finanzkrise kaum etwas die Märkte so nachhaltig erschüttert wie der Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank im September 2008. Noch heute versuchen Anleger, ihre Schäden einzuklagen.

Zwei von ihnen haben jetzt vor dem Bundesgerichtshof einen Sieg errungen. Der BGH erkannte ihren Anspruch auf Schadenersatz an. (Aktenzeichen XI ZR 169/13 und 480/13). Die Frage, wie viel Schadenersatz die Anleger bekommen, muss nicht mehr beantwortet werden. Denn das Oberlandesgericht Hamburg als Vorinstanz hat auch schon gegen die Bank entschieden und sie zu Schadenersatz in Höhe von mehreren zehntausend Euro verurteilt. Die Klage, die jetzt vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde, war die Revision der Bethmann-Bank. Nach der Entscheidung der Karlsruher Richter ist das Urteil nun also rechtskräftig.

Weil der BGH entschieden hat, interpretiert der Anwalt der Kläger den Spruch als ein Urteil mit Signalwirkung. Das mag stimmen, muss aber nicht. Natürlich könnten sich Richter bei anderen Klagen gegen die Verkäufer von Lehman-Zertifikaten von dem urteil aus Karlsruhe leiten lassen. Aber die Erfolgsaussichten anderer Anleger bei Prozessen bleiben trotzdem ungewiss, weil es auf den Einzelfall ankommt. Vor einigen Jahren scheiterten beispielsweise Lehman-Geschädigte vor dem Bundesgerichtshof. Der entschied nämlich damals, dass Banken nicht verpflichtet seien, über ihre Gewinnmargen bei solchen Geschäften aufzuklären. Man muss als Geschädigter also schon genau hinschauen, welchen Fehler die verkaufende Bank gemacht haben könnte.

Bei dem, was gestern verhandelt wurde, sind die Versäumnisse der Bethmann-Bank dagegen unübersehbar gewesen. Das Institut habe seine Beratungspflichten verletzt, da es die Kunden nicht ausreichend über die Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt habe, betonte der BGH. Dass Lehman beim Verkauf der Anleihen in den Geschäftsbedingungen mit einem "100-prozentigen Kapitalschutz am Laufzeitende" warb, habe das Risiko eines Komplettverlustes nicht beseitigt, urteilten die Richter.

Denn die Lehman Bank sicherte sich gleichzeitig ein Sonderkündigungsrecht zu, demzufolge die Zertifikate unter bestimmten Umständen vorzeitig zurückgezahlt werden konnten. Je nach Zeitpunkt dieser Rückzahlung konnte das allerdings für die Anleger bedeuten, dass sie deutlich weniger zurückbekamen, als sie gezahlt hatten, oder eben gar nichts mehr ausbezahlt bekamen, also ihren Einsatz verloren.

Das Problem: Weder in dem Flyer, mit dem für die vermeintlich sicheren Zertifikate geworben wurde, noch in den Bedingungen stand etwas von diesem Sonderkündigungsrecht. "Das damit verbundene Risiko eines Totalverlustes stehe der angeblich risikofreien Anlage "diametral entgegen". Insofern sei dieses Recht von Lehman ein für die Anlageentscheidung "wesentlicher Umstand" gewesen, über den die Bethmann-Bank hätte aufklären müssen, befand der BGH.

Die Argumentation der Gegenseite: Die verschärften Aufklärungs- und Informationspflichten seien "lebensfern". Garantiezertifikate wie jene von Lehman seien bis dato noch nie gekündigt worden. Deshalb sei das Risiko, dass die Bank von diesem Kündigungsrecht Gebrauch mache, so niedrig gewesen, dass Bethmann darüber nicht habe auf aufklären müssen. Aber offenbar muss eine Bank doch -so lange es eben übehaupt ein Risiko gibt.

(RP)
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