Kolumne Christian Kirchner Lehren aus dem verpatzten Jahresstart

Am deutschen Aktienmarkt geht es mal wieder bergab. Anleger sollten daher ein paar einfache Regeln befolgen.

Mit einem Kursrutsch von über zehn Prozent ging der Jahresbeginn für den deutschen Aktienindex Dax gründlich schief. Unter vielen Aktionären macht sich Verunsicherung breit. Entlarven die Verluste rund um den Globus die Zugewinne der jüngeren Vergangenheit doch als Strohfeuer, befeuert vor allem von der laxen Geldpolitik der Notenbanken?

In solchen Situationen verfallen viele Akteure am Kapitalmarkt in fixe Rollen: Anlagestrategen erklären die Kursverluste für "fundamental ungerechtfertigt" oder zumindest "übertrieben", schließlich ist ihr zuvor verbreiteter Zweckoptimismus nach kurzer Zeit hinfällig.

Viele Ökonomen müssen mühevoll kaschieren, dass sie ganz offensichtlich auch keine Ahnung haben, was etwa in für die Weltkonjunktur elementaren Märkten wie dem Ölmarkt oder China vor sich geht. Denn wie sonst ist zu erklären, dass kaum jemand einen Verfall des Ölpreises von mehr als 100 US-Dollar je Fass noch vor 18 Monaten auf aktuell 30 US-Dollar je Fass auf der Rechnung hatte - und plötzlich nicht steigende, sondern auch fallende Ölpreise Gift für die Weltwirtschaft sein sollen?

Viele Anlageberater empfehlen, nun bloß nicht in Panik zu verkaufen. Und viele Anleger tun im Zuge solcher Kurseinbrüche in der Regel was? Richtig: Genau das Gegenteil, sie verkaufen.

Nun mag es abgedroschen klingen, aber der Ratschlag gilt unverändert: Wer seine Anlageentscheidungen vom täglichen Grundrauschen abhängig macht, wer glaubt, er könne mit kurzfristigen Dispositionen die Rendite steigern, wird sie über kurz oder lang ruinieren. Das tun leider viele Anleger.

Wir haben uns bei "Capital" einmal angesehen, welche tatsächlichen Renditen deutsche Privathaushalte seit Anfang 1999 mit Aktien und Fonds verdient haben. Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Bereinigt man den Anstieg des Vermögens um die Zu- und Abflüsse, haben Privathaushalte mit Aktien ein jährliches Minus von 0,2 Prozent gemacht und mit Fonds nur ein Plus von 0,5 Prozent verdient. In der Berechnung auf Basis der Geldvermögensstatistiken der Bundesbank blieben zwar Dividenden und Ausschüttungen, aber auch Gebühren und Inflation außen vor.

Wundert es angesichts dieser Bilanz wirklich, dass mehr als vier Millionen Menschen Aktien und Fonds als Anlage in den vergangenen zehn Jahren den Rücken gekehrt haben?

Wenn es um die Gründe für dieses Desaster geht, beschuldigen sich Anleger, Berater, Fondsgesellschaften meist gegenseitig. Und paradoxerweise auch alle zu Recht, denn sie alle tragen eine Mitverantwortung. Auf den Punkt gebracht: Viele Produkte verdienen nicht einmal die Gebühren, die sie kosten. Berater und Fondsgesellschaften konzentrieren sich viel zu oft auf neu aufgelegte Produkte, die kurzfristige Trends bedienen, aber nach einigen Jahren wieder verschwinden. Und nicht zuletzt neigen Anleger zu einem stark prozyklischen Verhalten: Aktien und Fonds kaufen sie gerne, wenn die Stimmung gut ist, so wie im Jahr 2000 - und liquidieren panisch, wenn die Märkte ins Trudeln geraten, so wie 2003 und 2008. All das zehrt in der Summe die Renditen auf, die möglich sind.

All dies sind aber auch keine unlösbaren Herausforderungen für Privatanleger. Wer sich von Trendprodukten fernhält, möglichst breit streut, ein wenig auf die Gebühren achtet und vor allem das tückische prozyklische Verhalten "Kaufen im Boom, Verkaufen in der Krise" verhindert, hat schon die schlimmsten Fehlerquellen abgestellt.

Und auch der Rat der möglichst breiten Streuung mag antiquiert klingen - selten war es so aktuell wie heute. Das gilt sowohl für Währungen als auch für Aktien. So sind etwa grundlegende Fragen zur Zukunft des Euros noch ungeklärt. Kluge Anleger halten daher einen signifikanten Anteil ihres Vermögens in Wertpapieren anderer Währungen - was bequem über globale Fonds geht. Und zeigen nicht gerade die irre Entwicklung des Ölpreises oder der Negativzinsen bei Staatsanleihen, dass man sich auch für unvorstellbar klingende Entwicklungen rüsten sollte über eine Streuung?

Auch mit Blick auf Aktien ist die typische einseitige Orientierung an deutschen Werten riskant. Wenn Deutschland einer der größten Profiteure des China-Booms war, Autos und Maschinen dorthin verkaufen konnte, würde Deutschland umgekehrt auch eine Krise ins Mark treffen. Die deutsche Wirtschaft ist derzeit anfällig für exogene Schocks - und mit ihr der Dax, in dem vor allem Industrie- und Automobilwerte prominent vertreten sind.

DER AUTOR IST FRANKFURT-KORRESPONDENT DES WIRTSCHAFTSMAGAZINS "CAPITAL". WWW.CAPITAL.DE

(RP)
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