Brüssel. Milliardenstrafe gegen sechs Großbanken

Brüssel. · Die EU-Kommission hat gegen die Institute wegen der Manipulation von Zinssätzen die Rekord-Geldbuße von insgesamt 1,7 Milliarden Euro verhängt. Betroffen ist auch die Deutsche Bank, die 725 Millionen Euro zahlen muss.

Es ist eine Rekord-Strafe mit Symbolwert und Abschreckungspotenzial: Europas Wettbewerbshüter verdonnern führende internationale Finanzinstitute — darunter die Deutsche Bank — zu rund 1,7 Milliarden Euro Buße. Der Grund: Die Banken haben über Jahre wichtige Referenz-Zinssätze manipuliert, um Extra-Gewinne einzustreichen. Er wolle "ein deutliches Signal" setzen, "dass die Kommission fest entschlossen ist, Kartelle im Finanzsektor zu bekämpfen und zu sanktionieren", stellte Europas oberster Wettbewerbshüter Joaquin Almunia klar. "Das ist noch nicht das Ende der Geschichte", betonte der Spanier. Denn andere Brüsseler Untersuchungen — etwa zu Absprachen am Devisenmarkt und bei Derivaten — laufen weiter.

Wer muss jetzt zahlen?

Die EU bestraft sechs Großbanken. Von der Gesamtstrafe muss allein die Deutsche Bank 725 Millionen Euro zahlen. Sie hat dafür bereits Rückstellungen gebildet. Auf die französische Société Générale entfallen knapp 446 Millionen Euro, auf die Royal Bank of Scotland gut 391 Millionen Euro. JP Morgan, Citigroup und RP Martin erhielten etwas niedrigere Strafen. Die britische Großbank Barclays und die Schweizer UBS gingen als Kronzeugen straffrei aus, weil sie die Zinsmanipulationen aufdeckten. Selbst Manipulationen im Mini-Promille-Bereich können Millionen an Extragewinnen bringen.

Wie wurde manipuliert?

Das Arbeitsgericht Frankfurt/Main rekonstruierte in einem Prozess vom September folgenden Ablauf: Beispielsweise Deutsche-Bank-Mitarbeiter, die in der täglichen Zins-Ermittlung tätig sind, sollen mit Finanzmarkt-Händlern im Konzern Absprachen getroffen haben. Letztere verwalteten für die Bank Finanzprodukte, die an die Referenzsätze gekoppelt sind. So war es möglich, dass die Zins-Ermittler Daten meldeten, die für die Händler der Deutschen Bank günstig waren. Zudem sprachen sich Banken untereinander ab. Sie konnten so Handelsgewinne einstreichen.

Wer wurde geschädigt?

Andere Banken, Unternehmen und Privatverbraucher. Von der Entwicklung der variablen Zinssätze ist eine Vielzahl von Finanzprodukten abhängig. So kann sich die Höhe der Zinsen für Festgeld daran orientieren oder die Renditen von Investment-Papieren wie Geldmarktfonds. Auch sind in verschiedenen Ländern Haus- oder Verbraucherkredite an die Referenzmarken gekoppelt. Nach EU-Angaben basieren Finanzprodukte im Wert von tausend Billionen Euro auf den Referenzzinsen. Werden diese beeinflusst, kann das also höhere Kosten für Verbraucher bedeuten. "Es trifft Millionen von Verbrauchern, weil Hypotheken-Zinsen daran gekoppelt sind", stellte Almunia gestern fest.

Was tut die EU gegen die Trickser?

Libor und Euribor sollen künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht bestimmt werden. Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zusammenarbeiten. Zudem müssen als Grundlage nachvollziehbare Daten und nicht Schätzungen von Händlern herangezogen werden.

Reicht das?

Nein, sagen Kritiker. Der Grünen-Europa-Abgeordnete Sven Giegold wirft den Briten vor, eine strengere Aufsicht verhindert zu haben, um den Finanzplatz London zu schützen. Die Aufsicht über den Libor bleibt trotz der Skandale in London.

Sind härtere Strafen nötig?

Brüssel will Zins-Fälschern künftig Strafen bis zu 500 000 Euro aufbrummen oder sogar Haft. Für Manipulationen durch Firmen sind eine Million Euro Bußgeld oder zehn Prozent des Umsatzes vorgesehen. Entsprechende Pläne hat EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bereits vorgestellt. Dies kann aber erst 2015 greifen.

(RP)
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