München Linde und Praxair einig über Fusion

München · Im Handel mit Industriegasen entsteht ein neuer Weltmarktführer mit einem Umsatz von rund 28 Milliarden Euro. Der Unternehmensname bleibt Linde, der neue Standort soll irgendwo in Europa sein.

Linde und Praxair haben sich auf die Eckpunkte für den geplanten Zusammenschluss zum weltgrößten Gasekonzern geeinigt. Über einen Aktientausch sollen die bisherigen Aktionäre an dem zusammengeschlossenen Konzern jeweils 50 Prozent halten, teilten die Münchner mit. Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle sicherte sich den entsprechenden Posten auch für die neue Holding, Praxair-Chef Steve Angel wird der neue Vorstandsvorsitzende des Konzerns. Das übrige Top-Management solle zu gleichen Teilen mit Vertretern der Amerikaner und der Bayern besetzt werden. Der Unternehmensname bleibe Linde, auch wenn Angel seinen Dienstsitz weiter in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut haben soll. Die Zentralfunktionen sollen auf beide Seiten des Atlantiks aufgeteilt werden.

Zusammen kommen Linde und Praxair als neuer Weltmarktführer vor dem französischen Erzrivalen Air Liquide auf einen Umsatz von rund 28 Milliarden Euro und eine Gesamtbewertung von 61 Milliarden Euro. Praxair ist bei Industriegasen in Amerika Marktführer und hochprofitabel. Linde ist im Gasegeschäft vor allem in Europa und Asien stark und mit Anlagenbau und Medizingasen breiter aufgestellt.

Die jährlichen Synergien veranschlagten die beiden Firmen auf eine Milliarde Dollar. Die neue Holding werde sowohl in New York als auch in Frankfurt gelistet sein, hieß es. Linde strebt die Aufnahme in einen der Dax-Indizes an. Sollte der Haupthandel mit den neuen Aktien allerdings in Übersee über das Börsenparkett gehen, müsste sich das Dax-Gründungsmitglied mit dem Abstieg aus der ersten deutschen Börsenliga abfinden. Der Rechtssitz soll in einem neutralen Land des Europäischen Wirtschaftsraums liegen. Welches das sein wird, blieb zunächst offen. Experten halten einen Standort in Irland für denkbar.

"Der strategische Zusammenschluss von Linde und Praxair kombiniert die Stärken beider Unternehmen, er stärkt die globale Präsenz, und er schafft ein robusteres Portfolio, das von langfristigen Wachstumstrends profitieren würde", lobte Angel. "Diese Fusion schafft Werte. Dies ist ein strategischer Schritt, der eine robuste Bilanz und einen starken Cashflow schaffen würde und so die notwendige finanzielle Flexibilität ermöglichen kann, die wir brauchen, um in unsere Zukunft zu investieren", sekundierte der Linde-Übergangschef Aldo Belloni.

Die beiden Unternehmen planen nun, so schnell wie möglich die Vereinbarung in bindende Verträge umzusetzen. Ein Zusammenschluss stehe unter dem üblichen Vorbehalt der Behörden. Dabei dürfte Linde eine eingehende Prüfung der Kartellbehörden ins Haus stehen. Experten erwarten, dass sich das neue Unternehmen ähnlich wie bei der Übernahme der britischen BOC vor einigen Jahren aus mehreren Märkten zumindest teilweise zurückziehen muss.

Um die Zustimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu erlangen, hatte Praxair im Vorfeld einige Zugeständnisse gemacht. So wird bei Linde bis Ende des Jahres 2021 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Anders als bisher geplant, wird der Standort Dresden nun doch nicht geschlossen. Die ursprünglichen Einschnitte des Ex-Chefs Wolfgang Büchele für die rund 65.000 Linde-Mitarbeiter wurden abgemildert. Der erste Fusionsanlauf im Sommer war insbesondere an Standort- und Machtfragen gescheitert.

(rtr)
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