Düsseldorf Lobeshymnen auf die Industrie

Düsseldorf · NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) legt Leitlinien gegen die Wachstumsschwäche vor und grenzt sich dabei von den Grünen ab. Unterstützung kommt von Parteichef Gabriel. Die Opposition sieht keinen substanziellen Beitrag.

Düsseldorf: Lobeshymnen auf die Industrie
Foto: Ferl

Nordrhein-Westfalen im Jahr 2026: Lkw fahren automatisiert, sie werden so über die Brücken im Duisburger Hafen dirigiert, dass keine Staus entstehen. Viele sind nach wie vor mit Stahl beladen. Gelsenkirchen, Recklinghausen und Bottrop sind Smart Cities, in denen die Bürger mit den Behörden fast nur noch auf elektronischem Wege kommunizieren. In der Region rund um Aachen wissen die Menschen, dass auch in den nächsten 20 Jahren noch Braunkohle abgebaut wird. Und in Köln laufen die Geschäfte beim Autohersteller Ford bestens, weil die Kooperation mit den Hochschulen vor Ort so viele Innovationen hervorgebracht hat.

So sieht die Vision aus, die NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) vom Land entwirft. "NRW soll in zehn Jahren ein Bundesland sein, das den Neid anderer auf sich zieht", sagte der Minister gestern auf einem Kongress bei Vorlage seiner industriepolitischen Leitlinien. Sein Konzept soll entscheidend dazu beitragen, dass diese Vision Realität wird. Duins Vorschläge reichen vom Ausbau des Landes zum Spitzenstandort der Digitalisierung über Bürokratieabbau bis hin zur Stärkung der Kooperation von Hochschulen und Industrie (vgl. Infobox). Sie wurden zusammen mit dem DGB und Arbeitgebern wie den Unternehmerverbänden NRW entwickelt. Hintergrund sind die zuletzt schwachen Wirtschaftsdaten. Im Jahr 2015 lag das Wirtschaftswachstum in NRW bei null Prozent und damit im Bundesvergleich an letzter Stelle. Die Arbeitslosigkeit ist höher als in allen anderen westdeutschen Flächenländern und die Exportschwäche der hiesigen Industrie inzwischen so ausgeprägt, dass Duin darin die Hauptursache für den Rückstand beim Wirtschaftswachstum sieht. In der Folge will der Wirtschaftsminister insbesondere die Industrie stärken, die rund ein Viertel zur Wirtschaftskraft des Landes beiträgt.

Duin schlägt dabei fünf Monate vor der Landtagswahl allerdings in einigen Punkten eine andere Richtung ein als der grüne Koalitionspartner. "Kohle- und Gaskraftwerke werden auch zukünftig noch eine wichtige Rolle spielen", heißt es etwa in dem Papier. Die Landesregierung werde auf jeden Fall an der Kohleverstromung bis 2045 festhalten. Zudem soll es - anders als die Grünen fordern - auch weiterhin "wirtschaftlich notwendige Nachtflüge" geben. Die Modernisierung der Autobahnen erhalte hohe Priorität. Die Grünen hingegen fordern ein Nachtflugverbot und geben dem öffentlichen Nahverkehr Vorrang.

Unterstützung holte sich Duin gestern von Altkanzler Gerhard Schröder und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Beide betonten die große Bedeutung der Industrie für den Wirtschaftsstandort NRW. "Wenn die Industrie wegbricht, gehen auch Jobs im Dienstleistungssektor verloren", sagte Schröder. Die Deindustrialisierung in anderen Ländern habe dazu geführt, dass "einige anfällig werden für dumpfen Populismus". Gabriel äußerte sich ähnlich. Es sei zudem wichtig zu zeigen, dass Klimaschutz ohne Jobverluste funktioniere. Die Leitlinien seien ohne weiteres auf den Bund übertragbar: "Streiche NRW, ersetze durch 'Bund' und dann Copy and Paste."

CDU-Landeschef Armin Laschet hingegen sieht in der grundsätzlich "zustimmungsfähigen Prosa" keinen substanziellen Beitrag zur Überwindung der Wachstumsschwäche. Dietmar Brockes, wirtschaftspolitischer Sprecher der NRW-FDP sagte, den Mahnungen der Wirtschaftsforschungsinstitute habe der Wirtschaftsminister "nur Papiere und warme Worte entgegenzusetzen."

Duin selbst will die Leitlinien als "Pflichtenheft" verstanden wissen, an dem man sich messen lassen müsse. Vertreter von Land, Unternehmern, Gewerkschaften und Verbänden sollten regelmäßig kontrollieren, ob die Ziele eingehalten würden. Dazu zählen Kennzahlen zum durchschnittlichen Wirtschaftswachstum, zum Industrie-Anteil am BIP oder zur Dauer von Verwaltungsverfahen. Wie hoch die Messlatte dabei genau liegt, sagte Duin gestern allerdings noch nicht.

(RP)
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